Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)
Wien-brevier - Mór Jókai: Der roman des künftigen jahrhunderts
ANMERKUNGEN 1 Kronprinz Rudolf korrespondierte als Schirmherr des umfangreichen zweisprachigen landeskundlichen Werkes Die Österreichisch-Ungarische Monarchie in Wort und Bild mit Mór Jókai, seine Briefe schrieb er in ungarischer Sprache. 2 Joseph von Weilen war der Redakteur der deutschsprachigen Bände. 3 Es handelt sich hierbei um die von Kronprinz Rudolf verfasste Einleitung 4 Erzherzogin Marie Valerie Aus dem Ungarischen von Eva Zádor MÓR JÓKAI: ROMAN DES KÜNFTIGEN JAHRHUNDERTS1 AUSZUG Árpád von Habsburg ist dieser Tage ruhmreich herrschender König Ungarns, des weiteren der mit Ungarn verbündeten Länder Kaiser, König, Großfürst, Markgraf und so weiter und so fort. Vor siebenundzwanzig Jahren - also im Jahre I 925 - wurde der „Staatsgründer“ Árpád von der heiligen römischen Kurie in die Schar der Heiligen gehoben. Grund für die Kanonisierung war der Umstand, dass die erhabenste königliche Mutter ihren neugeborenen Sohn geradewegs auf diesen Namen zu taufen wünschte, als Zeichen ihrer Zuneigung zu ihrem getreuen Volke... Das längliche Gesicht, die gewölbte Stirn, die breite Unterlippe zeigen allesamt die Züge der Familie, welchen die träumerischen stahlblauen Augen eine gewisse sympathische Wirkung verleihen, die eher einen gedankenversunkenen Philosophen zeigt als einen Herrscher; doch die schmale Falte zwischen den beiden Augenbrauen, die die hohe Stirne in zwei Teile teilt, lässt Willenskraft erahnen. Sein Antlitz ist blass, das wird umso auffallender, da er bei jeglicher innerer Erregung hoch errötet. Ist er verbittert, erreicht ihn eine Trauernachricht oder eine Enttäuschung, erhitzt ihn der Zorn, muss er ein schweres Urteil sprechen: So erscheint auf seinem Gesicht diese Feuerrote, dann senkt er den Blick und presst die Lippen zusammen. Der König beherrscht sich. Und er spricht oder handelt erst, sobald die Röte seinem Gesicht entschwunden ist. 207
