Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

László Mednyánszky im Spiegelbild kunstwissenschaftlichen Schrifttums: wissenschaftliche und kulturhistorische Beiträge - Tünde Császtvay: Garküche, Kothurnen und Horner. Versuche eines Mäzenatentums zur Rettung der Nation und Seele Ungarns um die Wende des 19. Jahrhunderts

angesehensten Menschen in Ungarn galt, waren immer mehr Menschen - von den aristokratischen Salons über die Politikerkreise bis hin zu den einfachsten Bürgern - mit den behandelten Fragen konfrontiert und machten sich im günstigen Fall auch Gedanken darüber. Nach seinem Beispiel konnten die Künstler selbst und auch die sich um sie in Gruppen versammelnden tatkräftigen Menschen ihre Vorstellungen und Pläne leichter formulieren und artikulieren. „Hörner" Am 25. September 1890 berichtete ein wahrhaftig tatkräftiger Mann, Zsigmond Justh, seinem Freund István Apáthy - der im gleichen Jahr zum Professor für Tierkunde und vergleichende Anatomie an der Universität von Kolozsvár (heute Cluj-Napoca, Rumänien) ernannt worden war -, dass er am 1. Oktober in Pest eintreffen, bei den Jókais auf dem Schwabenberg absteigen und dort etwa drei bis vier Tage vor seiner Reise nach Venedig verbringen wird. „Ruf die Jókais an, ich werde auf jeden Fall täglich nach 4 Uhr bei ihnen zu erreichen sein", 22 schrieb er. Es wirkt ziemlich verdächtig, dass Justh, der ansonsten sein halbes Leben in Hotels verbrachte, während seiner Budapest-Aufenthalte - als täglicher Gast - bei Jókai abstieg. Aufgrund seiner Briefe kam es auch in anderen Fällen, und zwar ziemlich häufig vor. 23 Justh war zwar auch mit Jókai freundschaftlich verbunden, der Weg zu dessen Salon führte jedoch über seinen Freund aus jungen Jahren, Árpád Feszty 24 (Abb. 2), den späteren Schwiegersohn Jókais. Im Salon von Jókai - und damit auch der Fesztys - stand ein Tisch. Ein weißer Tisch. „Selten hat ein weißer Tisch in Ungarn eine solch illustre Gesellschaft gesehen", schrieb Kálmán Mikszáth am 19. Februar 1895, bei der Darstellung des zum 70. Geburtstag von Jókai veranstalteten ,Trauer-Abendmahls'. „Außer den Schriftsteller-Freunden des großen Dichters waren auch unsere größten, noch lebenden Staatsmänner, Kálmán Tisza, Dezső Szilágyi und Albin Graf Csáky dabei. Anwesend waren ferner der jetzige Ministerpräsident, Dezső Baron Bánffy und der Kultusminister Gyula Wlassics. Das normale Speisezimmer Jókais wäre für die Gesellschaft zu klein gewesen, sie zogen also zum Abendessen hinunter in das Erdgeschoss, in das für diesen Zweck ausgeschmückte berühmte Atelier von Feszty, wo ,Der Einmarsch der Ungarn' [...] gefertigt wurde. Natürlich gab es noch eine ganze Reihe Grußworte, alle an Jókai, lediglich Kálmán Mikszáth ließ die anwesenden Staatsmänner hochleben, und zwar unter dem Motto, dass all die schönen Dinge, die Jókai für Ungarn erträumt hatte, durch ihre Hilfe zur Wirklichkeit werden konnten" 25 (Abb. 3). Inwieweit Mikszáth das gelungene Kompliment in der Tat ernst gemeint hatte, bleibt ungeklärt. Doch Zsigmond Justh wäre - hätte er noch gelebt - dadurch sicherlich zutiefst zum Nachdenken veranlasst gewesen. Mehrere Gäste kannte er noch aus der Kindheit, später aus den herrschaftlichen Salons, wo auch er selbst groß geworden war und sich heimisch bewegte. Albin Graf Csáky, Minister für Religion und Unterrichtswesen im Zeitraum von 1888-1894, war ein guter Freund seines Vaters, denn sein Sohn István Csáky „ist auch einer meiner Lieblinge", wie Justh in seinem Tagebuch 1889 formulierte. „Ein komplizierter Junge, eine kranke Seele in einem kranken Körper, bzw. eher eine alte Seele in einem alten Körper. Jener Typus, den nur unsere morschen Nationalitäten vom Oberland her­vorbringen konnten, deren Stammbäume ,die reinsten' (!!!) auf der Welt sind. Generationen und Erfahrung durch Generationen, mit der über Generationen vererbten Sehnsucht nach Ruhe [...] Pessimismus, ohne das Leben anders zu kennen, als über die vererbten Kategorien. .. Er hat vor einem jeden Angst, ist argwöh­nisch, mich mag er, glaube ich, vielleicht, weil er mich für homogen hält. Ansonsten ist er nur ein Denker, kein Künstler, genauso wie sein Vater." 26 Zsigmond Justh konnte in der Tat im Jókai-Feszty­Salon eine Art Gefühl der Homogenität erleben, vor allem die Verwirklichung eines seiner Träume aus jungen Jahren: die Gründung des Műbarátok Köre (Kreis der Kunstfreunde) im Jahre 1889, die die Mitglieder des Salons unterstützten, wo sie nur konnten. 27 Die Idee der Gesellschaft sahen viele als ihre eigene Sache an 28 , über den nach langen Vorbereitungen stattfindenden Start entstanden fast schon legendäre Geschichten. 29 Wie immer es sich auch zutrug, als geistiger Vater der Gesellschaft kann dennoch Zsigmond Justh betrachtet werden. Und das nicht bloß deswegen, weil Justh bereits am 17. September 1886 von seinem Gut in Szenttornya an seine Freundin Margit Nemeskéri Kiss schrieb: „Pest treibt mich zur Verzweiflung, wenn es sich doch endlich einmal zu einer Großstadt entwickelte. Diese Übergangszeit ist unausstehlich. Der Großteil der Gesellschaft ist von sich einge­nommen und mit Kurzsichtigkeit behaftet; und die Schriftsteller haben keine Manieren, sie sind Unmenschen (bis auf einige wenige Ausnahmen), die Politiker sind Phraseure [...] Wenn ich kein Soldat werde (und das ist sehr fraglich), bleibe ich den Winter über in Pest und werde zwischen der Gesellschaft und den schriftstellerischen Kreisen schweben wie Mohammeds Sarg. Mit Géza Batthyány haben wir den Plan, den Literatursalon aus der Taufe zu heben, wobei wir uns bemühen werden, die bei uns noch so entgegengesetz­ten ,Mondain'- und ,Lettré'-Kreise zusammenzuführen. Das wird zu Beginn natürlich nur in der noblen Gesellschaft möglich; später, wenn unsere Damen es so wollen und sich dafür stark genug fühlen, wird es vielleicht gelingen, weiterzugehen. All das ist natürlich nur erst ein Plan, und heute kennen ihn kaum einige Menschen; ich brauche Sie also nicht zu bitten, dies nicht einmal in der Familie weiterzuerzählen." 30 Und zwar nicht einmal nur deshalb, weil er in seinem Tagebuch 1889 - Irma Zichy charakterisierend - schrieb: „den Großteil des Sommers verbringt sie in London, sie wird die ganze englische Gesellschaft kennen, sie hat 4 Alajos Stróbl: Porträt von Zsigmond Justh, 1890 (UNG, Inv.-Nr. 5858)

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