Gábor Eszter: Die Andrássy Straße - Unser Budapest (Budapest, 2002)
tigte mit Gyula Pártos gemeinsam den Entwurf an. Dieses unter starkem französischem Einfluß entstandene Gebäude weicht entscheidend vom italienischen Neorenaissance-Stil ab, welcher den Baucharakter des Opernhauses und der Straße bestimmt. Die wohnturmartige Gestaltung der Ecken, die eigenartigen — manchmal dreieckigen — Erker, die Form und Umrahmung der Fenster, wie auch die — inzwischen leider verschwundenen — Turmhauben, alles deutete in diese Richtung. Bei der Gestaltung des Gebäudes nahm Lechner jedoch, trotz der stilistischen Abweichung, auf das gegenüberliegende Opernhaus weitgehend Rücksicht. Ähnlich wie bei diesem, war auch er bemüht Raumgliederung zu erreichen — zwischen den beiden zurücktretenden Seitenflügeln springt der Mittelrisalit in die Straßenreihe vor. Im Erdgeschoß des Mittelrisalits deutet die Loggia mit fünf Öffnungen auf das Opernhaus, gleichzeitig bot sie auch einen unvergleichlich geeigneten Ort für eine Kaffeehausterrasse. Unter den Fotos von Budapest zur Zeit der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert sind wohl diejenigen vom hiesigen Café Drechsler die anheimelndsten und nostalgischsten. Nach 1945 funktionierte hier auf den mehreren Stockwerken des Kaffeehauses das Staatliche Ballettinstitut. Auch die Künstler des Opernhauses mieteten hier mit Vorliebe Wohnungen. Verwaist wartet das Gebäude heute darauf, daß ein neuer Besitzer wohl die wenigen, noch verbliebenen inneren Wertsachen zerstört. Wir hoffen nur, daß uns sein Äußeres erhalten bleibt. Die Reihe der Mietshäuser setzt sich bis zur Nagymező utca fort. Ecke Hajós utca (Andrássy út 24) befindet sich heute das Goethe Institut, mit dem Café Eckermann im Erdgeschoß. Hier war einst auf der einen Seite das Café Opera, auf der anderen Seite das Gasthaus — wohl eher die Schenke — Zu den drei Raben, ein beliebter Stammplatz von Endre Ady, an den sich Gyula Krúdy fol gendermaßen erinnerte: „Ady liebte es, in jener durch eine Bretterwand abgeteilten, mit rauchfarbenen Vorhängen verhangenen Nische zu arbeiten. wo manchmal bei reichlichem Weingeplätscher sogenannte Glaubensdebatten stattfanden, später dann wüstes Treiben. Béla Révész saß am Tisch in der Nähe des Extrazimmers' und während Sndre Ady arbeitete, empfing er die aus Ost und West und aus den verschiedenen Teilen der Stadt während der Nacht eintreffenden Gläubigen und Ungläubigen, Verrückten. Heiligen Sxlumpen und Scheinlumpen mit jener Nachricht, daß Ady seine Sonntagsgedichte schreibe. Deshalb betrat niemand die gewohnte Nische." (Die Nächte Endre Adys.) Den einstigen Ort der Drei Raben zeigt eine Gedenktafel an der Seitenwand des Tores an. Am einstigen Hermina tér, wo das Opernhaus Platz erhielt, gab es damals Vergnügungslokale zweideutigen Rufes, die mit Eröffnung der neuen Straße von hier verdrängt wurden. So zog das „Vergnügungsviertel" in die Nagymező utca. Károly Somossy erhielt schon 1870 die Bewilligung in der Nagymező utca „im 22