Bodor Ferenc: Die Pressos der Stadt - Unser Budapest (Budapest, 1992)
Körtér (rcindplatz) Die Neonaufschrift mit einem kleinen orthographischen Fehler zwischen der Konditorei und dem Presso (einst mit nicht salonfähigen Namen belegt) beleuchtet die Portraits des Herrn Dr. Péter Hack und des ernst-ehrlichen Dr. Gábor Fodor*. Man sagt, der Rundplatz wäre einst ein berüchtigter Treffpunkt gewesen. Als solcher ausgeharrt bis heute hat nur mehr das Musikpresso Nr. 1168 mit seinem kleinen Sommergarten. Zwischen den an die besten Lösungen der dreißiger Jahre erinnernden verglasten Säulen gibt es bequeme Stühle, Gesellschaften, Reinheit und Ruhe. Das bläuliche Gigantposterbild des Móricz Zsigmond Platzes verstärkt die für diesen Stadtteil typischen Gefühle. Der Klavierspieler mit der Mozart- ffisur versteckt sich hinter seinen Instrumenten und erfüllt mit seiner Musik sanft den budagrünen Raum. Die Tische sind von Tischtüchern mit Punscheisfarbe bedeckt, die Serviererin ist flink und höflich. Die Getränkekarten bieten den hereinirrenden Deutschen »geistige getränke« an. In den Spiegeln vervielfältigen sich die Paare wie in einer Gruppenszene. Gegen Illusionen langsam gefeite junge Araber führen verlamba- dasierte Mädchen mit Ohrgehängen und knalligen Schminkfarben ins Presso hinein und beginnen an den piepsenden Spielautomaten zu hantieren. Draußen auf dem Platz versucht eine riesige Neonreklame von den Vorteilen der Sparsamkeit zu überzeugen — mit dem Argument, sie würde sich lohnen. XL, MÓRICZ ZSIGMOND KÖRTÉR 4. Körtér * Beide sind Abgeordnete der liberalen Opposition. Es geht um ihre seither vergilbten Wahlplakate aus der ersten demokratischen Wahl nach der Wende von 1990. 44