Bodor Ferenc: Die Pressos der Stadt - Unser Budapest (Budapest, 1992)
MEDIKÜS (MEDIZINER) Von den Kliniken und Spitälern der Gegend weht ein Duft von Medikamenten und Boutiquewaren. Vor vielen Jahren hatte dieser Ort vorübergehend großen Zulauf. Heute ist er eine Stätte ruhiger Begegnungen und Verabredungen, Bäckergesellen, die sich als Jungärzte vor dem Rigorosum tarnen, und Medizinstudentinnen, die von guten Ehen tratschen, kommen hier zusammen. Die Franzensstädter mit ausgeprägtem Sinn für Schönheit stellen sich am Büffet an, um mit Marzipanfiguren geschmückte Torten zu erstehen. Der Vorhang und die Sessel sind grün, all die übrigen Flächen haben aber mit der Zeit ein nobles und reifes Braun angenommen. Die Theke ist kniehoch voll von Kupferreliefs und Gaststättenszenen im Stil mittelalterlicher Stiche, so hat sich die Kupfermaffia staatssozialistischer Zeiten verewigt. Die Kaffeemaschine schmücken in friedlichem Nebeneinander ein Wappen von Siebenbürgen und die Aufkleber von City Taxi und Eduscho. Zur Galerie hinauf schreiten die im gelblichen Licht noch blässeren Liebespaare wie ehemals französische Adlige auf das Schafott, gedrückt von der Zentnerlast sofortiger Trennung oder ewiger Treue. IX., ÜLLŐI ÚT 89/C Tresenkönigin im Medikus 40