Bodor Ferenc: Die Pressos der Stadt - Unser Budapest (Budapest, 1992)
JÉGKIRÁLYNŐ (EISKÖNIGIN) Die Király (Majakovszkij) Straße wäre ein eigenes Büchleins, Fotoalbum oder gar tiefinspirierte Landschaftsgedichte wert. Die ganze Armseligkeit von Budapest ist in dieser historischen Straße zu handfester Wirklichkeit geronnen. Es wird da lauter Plunderkram angeboten: gebrauchte Nylonröcke aus den siebziger Jahren, Cremetorten, allerhand winzige Souvenirs und T-Shirts, im Sommer Tangas und zu jeder Jahreszeit Videokassetten. Die Straße ist voll nach verbrauchtem Bratfett riechender Imbißstuben, armseliger Selbstbedienungsrestaurants und verfallender Gasthöfe. Die Talfahrt dauert noch an, es wehen aber schon hier und da auch die Winde der Wiedererrichtung. Boutiquen sind eröffnet worden, um die Non-Stop-Läden schweifen seltsame Typen — die Weinflasche unter dem Arm. Aus den Espressos fliegen waagrecht wie streifende Düsenjäger Betrunkene gegen die Jagdgründe der Isabellastraße. ünd siehe, hier steht die Eiskönigin. Ein royalistischer Anhauch in unserer durch und durch republikanischen Zeit. Eine oder die ostdeutsche Eiskönigin? Eine für den Ball geschmückte Königin vom Balkan? Egal, sie bietet den Untertanen aus der Höhe Eisbecher an. Blinkende, bunte Glühbirnen imitieren Las Vegas. In dem backsteinroten inneren Raum stehen die Tische dicht aneinander gerückt. Kalte, unnahbare Kellnerinnen verscheuchen die unerwünschten Gäste und füllen die Becher mit überbunten italienischen Eissorten. Ein kleines Eiskönigreich in der Republik Ungarn. VII., KIRÁLY UTCA 69. Jégkirálynő, eine Eiskönigin trotz Republik 31