Kiss Katalin: Industrielle Baudenkmäler - Unser Budapest (Budapest, 1993)

eröffnungen, einem hochragenden Wasserturm inmit­ten der Achse des symmetrischen Gebäudeensembles. Der Turm mit seiner oben herumführenden Zwerggalle- rie wirkt wie der Wachturm einer Burg und ist auch architektonisch das beeindruckendste Element der ek­lektischen Gebäude des Schlachthofes. Die Schlachtge­bäude sind praktisch eingerichtet. In einem Schlachtge­bäude befinden sich dreißig Schlachtkammern, zwei Darmwäschereien, Gefrierräume und ein gedeckter Hof zur Aufladung der Lieferwagen. Im Probeschlachthof in der Mitte der Anlage wurden einzelne Tiere der Lieferun­gen kontrolliert, ob sie ganz gesund seien. Im Schlacht­hof wurden strenge sanitäre Maßnahmen eingeführt, die zum Schlachten hergetriebenen Rinder wurden vor­untersucht, die Schlachtvorgänge, die Schlachtkam­mern, sowie alle anderen Räumlichkeiten wurden streng überwacht. Das Fleisch der geschlachteten Tiere wurde nochmals untersucht. Der Schlachthof konnte sechshundert Rinder aufneh­men, auf dem benachbarten Rindermarkt konnten je­doch noch fünftausend Rinder und zehntausend Kälber untergebracht werden. Am 27 Juli 1872 wurde das Gebäude unter großen Feierlichkeiten eröffnet. Ein 25 Zentner schwerer unga­rischer Bulle wurde geschlachtet und seine feinsten Teile bei einem freundschaftlichen Gabelfrühstück ver­zehrt. Im ersten Jahr wurden hundertfünfzig Tausend Tiere geschlachtet, die Steuer nach dem Fleischver­brauch stellte dabei eine erträgliche Einkommensquel­le für die Hauptstadt dar. 1897 wurde die symmetrische Einrichtung geändert, das südliche Gebäude in eine zweischiffige Halle mit Eisengerüst umgewandelt und die Liefereinrichtungen modernisiert. Der heutige Öffentliche Schlachthof erinnert nur zum Teil an den alten, berühmten, imposanten Schlachthof. Seine CJmgebung ist vernachlässigt, an vielen Orten sind schäbige Umbauten zu sehen. An der Seitenfassa­de sind noch bunte Annoncen sichtbar, die mitteilen, was es alles am einstigen Schlachthof zu kaufen gab. Das verfallene, traurige Gebäude bewacht die Skulptur der Hirtenjungen, welche eine Rindergruppe im Zaum halten. Der Berliner Bildhauer Reinhold Begas hatte sie ursprünglich in Stein gehauen; da sie dem Zahn der Zeit jedoch nicht standhalten konnte, wurde - nach Ausbesserungen von Szilárd Sződy - 1937 die Skulptur in Bronze gegossen. 42

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