Szegő Dóra - Szegő György: Synagogen - Unser Budapest (Budapest, 2004)

Da dieses eine orthodoxe Synagoge war, bildete die starke Absonderung der Frauen einen wichtigen Gesichtspunkt. Die Frauen durften nur vom Hof her das Gebäude betreten. Die zweigeschoßige Empore in Hufeisenform erinnert an Thea­terlogen. Hierher führen an allen vier Ecken des Gebäudes Stufenreihen hinauf. Auf Archivbildern sieht man, daß hier außer dem maurisch durchbrochenen „moz- arabischen" Holzparavent auch ein Vorhang vorhanden war. Das Theatralische wird von der monumentalen Kulisse der Ostwand vervollständigt. Die gerippte Eisen­betondecke der Empore verstärkt die modernistische Wirkung. Um den Thoraschrein herum, der auf einem Mizra-Podium steht wurde eine mo­numentale Ostwand gebaut. Dieses zeigt schon eine gewisse Entfernung von der Tradition. Im visuellen Gesamtbild dominieren die warmen und Pastellfarben der Bauele­mente und der Dekorationsmalerei des Syangogeninneren. Neben dem Thora­schrein stehen zwei schlanke, grüne Marmorsäulen mit vergoldeten Kapitellen. Daneben je eine kräftige rote Säule, die mit ihren Bronze-Keramik-Ringen auf die salomonischen Bronzesäulen zurückgreift. Zwischen den beiden Säulenpaaren steht der geschnitzte Lesepult-Thron für den Rabbiner und den Vorbeter. Hier saß Jákob Koppel Reich, der legendäre erste Oberrabbiner der Synagoge, der u. a. von Kaiser Franz Joseph zum Hofrat und Mitglied des Herrenhauses ernannt worden war. Sein Wirken zwischen den Jahren 1890—1930 war die Blütezeit des Budapester orthodoxen Judentums. Reichs Sitzplatz blieb nach seinem Tode für immer leer. Über dem Thoraschrein befindet sich ein hellbrauner Block mit Davidstern-Intar­sien. Oben sehen wir das Symbol der zum Segen erhobenen kohanitischen Hand. (Der jüdischen orthodoxen Volkstradition nach soll der Ewige durch das Dreieck der Finger auf seine Gläubigen herabblicken.) Die Säulen tragen stufenförmige Pyramidenbekrönung, darüber die Gesetzestafeln. Die Bekrönung wird durch blau­rote Streifen gegliedert. Über dem Marmorbauwerk und den Gesetzestafeln befin­det sich ein halbkreisförmiges Rosenfenster, eingerahmt von einem Lichstrahlena- ura-Mauerstreifen. Traditionell steht das Bimah, der Thoralesetisch - hier dem monumentalen Tho­raschrein untergeordnet — in der geometrischen Mitte der Bankreihen und des Raumes, auf einem fünfstufigen Podium, höher als der Boden. Zwischen den impo­santen Kandelabern an der Ecke des Podiums gibt es auch eine Thoraeinkleide- Bank. (Das die Verehrung ausdrückende Einkleiden der Thora ist ein sehenswürdiges Element des Gottesdienstes.) ln einem der Seitengebäude neben dem Haupteingang befindet sich das neue, kleine Bethaus, welches vor zwei Jahrzehnten von Sándor Bokor gebaut wurde, da die geschrumpfte Gemeinde die Große Synagoge nicht mehr aufrecht erhalten 66

Next

/
Oldalképek
Tartalom