Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf 2007 in Kőszeg 3. bis 6. Juli 2007 (Szombathely, 2014)

Alois Ruhri: Kontinuität und Wandel in den Führungsschichten der Diözese Seckau 1867-1945

andere Initiative von Mutter Leopoldine Brandis, wie sie mit ihrem Schwestemnamen hieß, an. Schwestern pflegen allein stehende Kranke in ihren Privatwohnungen und wohnen vorübergehend auch in diesen Privathaushalten. Man könnte Brandis also durchaus als Pionierin der modernen Hauskrankenpflege bezeichnen. Mutter Leopoldine Brandis starb im Jahre 1900. Damals arbeiteten rund 2700 Barmherzige Schwestern und 300 so genannte „Krankenjungfrauen” in 210 Einrichtungen in Steiermark, Niederösterreich, Wien, Slowenien, Ungarn und Mähren. Die dritte Ordensgründerin, die kurz vorgestellt werden soll, ist Barbara Sichar- ter, die Gründerin der „Vorauer Schwestern”. Sie ist geboren 1829 als drittes von sieben Kindern einer Bauemfamilie im oststeirischen Wenigzell. Sie wächst in einer stark katholisch geprägten Umwelt auf, ihre Schulbildung ist aber minimal. Als sie 1865 mehrere Monate ans Krankenbett gefesselt verbringen muss, reift in ihr der Ent­schluss, eine Vereinigung mit gleichgesinnten Frauen zu gründen, die sich der Kran­ken- und Armenpflege widmen soll. In einem angemieteten ehemaligen Gasthaus in Vorau beginnt sie 1865 zunächst ohne Zustimmung der kirchlichen Obrigkeit mit ihren Gefährtinnen ein klösterliches Leben im Sinne des Dritten Ordens des hl. Fran­ziskus zu führen und verlassene Kranke zu pflegen. Aus einem zwei Jahre später von der Frauengemeinschaft angekauffen kleinen Haus entwickelte sich das Krankenhaus Vorau. Nachdem sie nach wie vor bei der kirchlichen Obrigkeit wenig Zustimmung und Unterstützung finden, gründen sie 1897 einen staatlichen Verein mit dem sehr kirchlich klingenden Titel: „Gesellschaft zu Ehren der seligsten Jungfrau Maria ohne Makel der Erbsünde empfangen”. Barbara Sicharter stirbt 1905, erst 1928 erreichen die „Vorauer Schwestern” die kirchliche Anerkennung als Schwestemkongregation. Damals zählte die Gemeinschaft 38 Schwestern, die in Vorau ein Privatkrankenhaus führten und Armenhäuser in vier anderen Orten der Oststeiermark betreuten. Die gesellschaftlichen Leistungen dieser und auch anderer Frauenorden in die­ser Zeit des sozialen und ökonomischen Umbruchs sind sehr hoch einzuschätzen. Mit sehr viel Mut und Eigeninitiative schufen sie gesellschaftliche Einrichtungen und leisteten sozial-karitative Dienste, die für die Zukunft richtungsweisend waren. Dennoch - auch in diesem Bereich behielt sich die männliche Kirchenhierarchie Kontroll- und Visitationsrechte vor. Nur auf den ersten Blick erstaunlich ist der große Zulauf zu diesen neuen Frauenorden. Auch hier rekrutierte sich der Ordens­nachwuchs vor allem aus dem bäuerlichen Bereich. Keuschler- und Bauemtöchter konnten auf diesem Wege Sozialprestige und Zukunftsperspektiven gewinnen - also durchaus eine Parallele zu den jungen Bauern- und Handerwerkersöhnen, die durch ihre Entscheidung zum Priesterberuf einen gesellschaftlichen Aufstieg erlangten. Zusammenfassung Fassen wir zusammen: Bei aller äußerer Kontinuität in den obersten Führung der katholischen Kirche in der Steiermark gab es in der gesellschaftlich so stürmischen 131

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