Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf 2007 in Kőszeg 3. bis 6. Juli 2007 (Szombathely, 2014)

Alois Ruhri: Kontinuität und Wandel in den Führungsschichten der Diözese Seckau 1867-1945

Ehe und interkonfessionelle Bestimmungen als Kampfansage empfunden. Mit diesen Gesetzen wurden nämlich fundamentale Bestimmungen des Konkordats von 1855 praktisch annulliert. Der Kaiser versuchte, das ohnedies bereits unwirksam gewor­dene Konkordat einvemehmlich aufzulösen. Dies schlug aber fehl, bis schließlich die Regierung die Dogmatisierung der Unfehlbarkeit des Papstes 1870 zur Aufkün­digung des Konkordats nutzte. Dieser „österreichische Kulturkampf’ verursachte einen massiven Formierungsschub des steirischen Vereinskatholizismus. Der in den historischen Bruderschaften schon lange existente, ab 1848 wiederbelebte Vereins­katholizismus war zunächst ausschließlich pastoral und karitativ orientiert gewesen, bekam aber seit 1867/68 zusehends ein politisch defensiv-kämpferisches Profil. In Graz wurde z.B. 1868 der „Katholisch-Konservative Volksverein” gegründet. In seinem Programm präsentierte er sich als der „einzig wahre” Verfechter des Rechts der Kirche gegen den „zersetzenden Liberalismus” und gegen die „antisozialen Ten­denzen”, die die Gesellschaft in Kommunismus und Pauperismus stürzen würden. 1869 wurde unter dem Protektorat des Bischofs der „Katholische Pressverein der Diözese Seckau” konstituiert, der mit der Einrichtung einer eigenen Druckerei das wirtschaftliche Überleben des seit Anfang 1868 erscheinenden Grazer Volksblattes sicherstellte. Diesen beiden Vereinen folgte die Gründung einer Reihe politisch orientierter, aber auch zahlreicher religiös und/oder sozial-karitativer Vereine. Der Einfluss der Amtskirche auf das an der Basis vor allem von Laien getragene Vereinswesen blieb über die jedem Verein penibel zugeordneten geistlichen Präses erhalten. Diese Priester waren wieder der kirchlichen Obrigkeit nicht nur rechtlich und finanziell verpflichtet, sondern aufgrund ihrer religiös begründeten Autorität für leitende Funktionen im Vereinskatholizismus gleichsam prädestiniert. Daher galt der geistliche Präses, Präfekt oker Konsulent - gemäß der scharfen kirchen­rechtlichen Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien - als der geborene, also nicht gewählte Leiter des Vereines. Die starke Stellung der Vereinsgeistlichen wurde auch in den diversen Vereinsstatuten festgeschrieben. Selbst wenn man mit einbezieht, dass der Einfluss der Laien im Vereinsalltag größer war, als es die vorhandenen Quellen vermuten lassen, so muss die klerikale Führungsrolle bei allen kirchlichen Vereinen unbestritten bleiben. Die Buntheit und Vielfalt der kirchlichen Vereine versuchte man durch Dach­organisationen in den Griff zu bekommen. Eine solche Dachorganisation war die in der Steiermark 1928 eingeführte Katholische Aktion. Drei Bedingungen mussten sich die Vereine unterwerfen, wenn sie der Katholischen Aktion beitreten wollten: 1. Bischöfliche Bestätigung der gewählten Vereinsfunktionäre, 2. Die Vereinskasse musste der bischöflichen Aufsicht unterstellt werden, 3. Die Vereinstätigkeit musste religiöse Schwerpunkte haben. Beinahe alle der rund 800 katholischen Vereine akzeptierten diese Vorgaben. Nach Meinung des Grazer Kirchenhistorikers Maximilian Liebmann lehnte über­129

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