Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf 2007 in Kőszeg 3. bis 6. Juli 2007 (Szombathely, 2014)

Alois Ruhri: Kontinuität und Wandel in den Führungsschichten der Diözese Seckau 1867-1945

sich in gewisser Weise sogar eine katholische Subkultur und auch eine katholische Substruktur entwickelt haben. Damit reagierte man auf die radikalen Veränderun­gen der Zeit des Überganges von der feudalen zu einer zumindest bereits in den Ansätzen erkennbaren demokratischen Gesellschaft. Diese Veränderungen lassen sich exemplarisch z.B. aus der familiären Herkunft der amtierenden Diözesanbi- schöfe der Zeit ablesen: Von den 19 Seckauer Bischöfen seit 1585 bis 1867 waren 2 bürgerlicher und 17 adeliger Herkunft, der 1867-1893 amtierende Bischof Johannes Zwerger entstammte jedoch einer Südtiroler Bauemfamilie, sein Nachfolger Leopold Schuster war der Sohn eines Kleinbauern im oststeirischen St. Anna am Aigen, der Vater des 1877 in Wien geborenen Bischofs Ferdinand Pawlikowski war Reitknecht und Reservekorporal in der kaiserlichen Armee. Derartige Veränderungen hinsichtlich gesellschaftlicher und sozialer Herkunft lassen sich generell beim steirischen Klerus feststellen. Große, mit Pfründen reich ausgestattete Pfarren waren in den vorhergehenden Jahrhunderten häufig von Pfarrern besetzt gewesen, die adeliger oder großbürgerlicher Herkunft waren. Bauernsöhne, mit dem Makel der Unfreiheit oder zumindest der grundherrschaftli­chen Untertänigkeit behaftet, war der Zugang zum Priesterberuf - wenn überhaupt - nur mit kirchlicher Dispens möglich. Diese Einschränkungen wurden erst durch die so genannte Bauernbefreiung 1848 beseitigt. Der Priesterberuf stand damit zwar beinahe allen Ständen offen, beinahe des­wegen, weil z.B. uneheliche Geburt nach wie vor ohne kirchenrechtliche Dispens vom Priesterstand ausschloss. Eine andere Hürde war, dass viele Kleinbauern, Keuschler, aber auch Handwerker es sich wirtschaftlich nicht leisten konnten, ihre Kinder in eine höhere Schule oder auf die Universität zu schicken. Die Kirche suchte und fand Möglichkeiten für eine Problemlösung. Das „Bischöfliche Knabenseminar” als Kaderschmiede Als Sammelbecken für den steirischen Priestemachwuchs war bereits 1832 das Bi­schöfliche Knabenseminar in Graz gegründet worden. Aufgabe dieser Einrichtung war zunächst nur die Unterbringung von Schülern, die in Vorbereitung auf das Theolo­giestudium eine Mittelschule besuchen mussten. 1856 kam eine eigene Bischöfliche Hauslehranstalt dazu, womit der Schulunterricht im Knabenseminar durchgeführt werden konnte und nur mehr die Matura in einem öffentlichen Gymnasium abgelegt werden musste. 1895 wurde das Öffentlichkeitsrecht erreicht und das bis heute bestehende Bischöfliche Gymnasium geschaffen. Damit waren Internat und Gymna­sium unter einem Dach vereint. Mit Hilfe eines gut organisierten Stipendiensystems konnten auch Buben aus wenig oder auch gar nicht begüterten Familien als Zöglinge aufgenommen werden. Voraussetzung für die Aufnahme in das Knabenseminar war das Bestehen einer Aufnahmeprüfung, also eine überdurchschnittliche Begabung, und der deklarierte Wunsch des Zöglings Priester zu werden. Die Rekrutierung 126

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