Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf 2007 in Kőszeg 3. bis 6. Juli 2007 (Szombathely, 2014)
Alois Ruhri: Kontinuität und Wandel in den Führungsschichten der Diözese Seckau 1867-1945
des Priestemachwuchses wurde damit auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Jetzt erst bot sich also auch Kindern aus weniger bemittelten Bevölkerungsschichten die Chance, in den mit hohem Sozialprestige ausgestatteten Priesterstand aufzusteigen. Den Hauptanteil der Zöglinge stellte während des ganzen in diesem Referat beobachteten Zeitraumes die bäuerliche Bevölkerungsgruppe mit einem durchschnittlichen Anteil von über 50%. Gut vertreten war auch die Berufsgruppe Handel und Gewerbe. Sie war jedoch stärkeren Schwankungen unterworfen. Die beiden Bemfsgruppen zusammen, Bauern sowie Handel und Gewerbe stellten bis 1905 stets über 80% der Zöglinge, sanken danach auf einen Schnitt von etwa 70% ab. Arbeiterkinder wurden in geringer Zahl erstmals in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts aufgenommen. Ebenso gering war die Herkunft aus Akademikerfamilien, die aus der Lehrerschaft war etwas größer, bewegte sich aber im Durchschnitt nur zwischen 4 und 8 Prozent, während das Kontingent aus der Kategorie der Beamten und Angestellten bei 7 - 9 Prozent lag. 1832 wurde mit 3 Zöglingen begonnen, 1848/49 wurde erstmals die Zahl 50 überschritten, stieg dann mit Schwankungen bis 1900 auf knapp 300 Zöglinge. Zu Beginn des Schuljahres 1930/31 wurde ein Höchststand mit 406 Zöglingen erreicht. Im Herbst 1938 wurde das Knabenseminar von der nationalsozialistischen Staatsverwaltung beschlagnahmt, wurde aber nach 1945 wieder errichtet. Die Erfolgsquoten hinsichtlich Zielerreichung waren erstaunlich, wobei ein vorangehendes strenges Ausleseverfahren zu berücksichtigen ist: Von den insgesamt 897 Maturanten in den Jahren 1895 bis 1938 begannen 781 das Theologiestudium, das sind immerhin über 87%. Die Zeit des Theologiestudiums und der Priesteramtsausbildung wurde von den Kandidaten wiederum wohl abgeschirmt und behütet im Bischöflichen Priesterseminar verbracht. Der Erfolg gab diesem System einer durchgehenden, mindestens 12 Jahre dauernden Betreuung und Behütung von der 1. Klasse Gymnasium bis zur Priesterweihe zweifelsohne Recht: Von den bereits erwähnten 897 Maturanten wurden 632 zu Priestern geweiht, das sind noch immer stattliche 71%. Dieses System der streng kontrollierten Ausbildung und Heranbildung des Priestemachwuchses beseitigte den in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts spürbaren Priestermangel. 1860 zählte man in der Steiermark 950 Priester, 1938 waren es 1120. Eine andere Folge dieses Systems war es, dass nunmehr der Priesternachwuchs fast ausschließlich aus der Steiermark bzw. aus der Diözese Seckau stammte, während zuvor doch eine gewisse Mobilität zwischen den einzelnen Diözesen feststellbar ist. Eine dritte Folge sei hier ebenfalls noch kurz erwähnt: Der soziale Aufstieg und die Karrieremöglichkeiten als Priester bewirkten in einzelnen Pfarren eine Sogwirkung, was zur Folge hatte, dass aus bestimmten Pfarren über- duchschnittlich große Zahlen von Schülern das Knabenseminar besuchten und in weiterer Folge sich zum Priester weihen ließen: Eine solche Pfarre war z.B. St. Anna am Aigen, weshalb dieser Ort auch als „steirisches Bethlehem” bezeichnet 127