Kolláth Anna (szerk.): A muravidéki kétnyelvű oktatás fél évszázada (Bielsko-Biala - Budapest - Kansas - Maribor - Praha, 2009)
2. Fejezet: A kétnyelvű oktatás Kárpát-medencei kontextusai - Víghné Szabó Melinda: Estnisch-ungarische Zweisprachigkeit und das mentale Lexikon
Víghné Szabó Melinda Ich vermute, dass die Testperson eine kombinierte Zweisprachige ist. Das bedeutet, dass sie ein mentales Konzept für die gleichen Wörter in den beiden Sprachen hat. Die Wörter sind (bei ihr) nicht getrennt gespeichert. Sie lernt(e) beide Sprachen im selben Kontext, die einzelnen Wörter beziehen sich auf dieselbe Vorstellung (vgl. Weinreich 1953: 9; Bechert 1991: 54). Das Estnische und das Ungarische werden in verschiedenen Situationen in gleicher Art und Weise beherrscht, also hat die Testperson eine symmetrische Zweisprachigkeit. Obwohl ich vermutet habe, dass die untersuchte Person über eine symmetrische, kombinierte Zweisprachigkeit verfügt, stellt der das Vorhaben, die perfekte zweisprachige Sprachbeherrschung zu definieren, ein zentrales Problem dar. Unter Lennebergs Begriff kritische Periode (Lenneberg 1972: 189) wird der Zeitraum verstanden, nach dem eine Lremdsprache aus biologischen Gründen nicht mehr vollständig erworben werden kann. Mit Beginn der Pubertät verliert das Gehirn an Flexibilität, was zur Folge hat, dass der Zweitspracherwerb jetzt nur noch grammatikorientiert erfolgen kann. Der spätere Zweitspracherwerb kann aber erfolgreich sein, wenn sich ein schulisch vermittelter Erwerb mit einem nichtschulischen Erwerb außerhalb der primären sprachlichen Sozialisation ergänzt. Schumanns Begriff der Akkulturation ’Anpassung’ spielt hier eine wesentliche Rolle - nach Schumann (1978) korreliert der Lernerfolg mit psycho-sozialen Eigenschaften, die sich aus der persönlichen Einstellung und der sozialen Integration bzw. Integrationsbereitschaft der Sprecher im Hinblick auf ihre L2-Umgebung ergeben (zitiert nach Wode 1996: 290). In Folge der Gebrauchshäufigkeit der Zweitsprache kann der Zweisprachige, der seine Zweitsprache im Erwachsenenalter erlernt hat, eine so hohe Kompetenz erlangen wie ein Zweisprachiger, der sich eine Zweitsprache im Laufe der ersten Sozialisationsphase angeeignet hat. In der neuesten Literatur des Bilingualismus wird die Zwei- und Mehrsprachigkeit als natürlicher Zustand betrachtet (Grosjean 1982; Bartha 1999; Oksaar 2003). Wenn man eine zweisprachige Person untersucht, muss man sich auf den wechselnden Sprachgebrauch konzentrieren (Bartha 1999: 37), also darauf, welche Sprachen in welcher Situation und in welchem Kontext verwendet werden. Auch wenn Testperson während ihrer Zeit in Ungarn Estnisch nur sehr beschränkt gebraucht, so nutzt sie diese Sprache dennoch auch außerhalb des Unterrichts - sie hat enge Kontakte mit ihren estnischen Verwandten und Freunden. Die untersuchte Person hat also zwei Gebrauchssprachen, die keine Prestigehierarchie haben und täglich in einer Vielfalt von Situationen gesprochen werden. 340