Szekszárdi Vasárnap 1992 (2. évfolyam, 1-52. szám)

1992-12-27 / 52. szám

1992. DECEMBER 24. , SZEKSZÁRDI IASARNAP 23 Der Berg „Das schöne gedicht" Rainer Maria Rilke: HERBSTTAG Was aus ihrer Beziehung geblie­ben ist, ist nur Bruchstück einer zer­fallenen erotischen Zuneigung... Eine Frau steht vor ihm, die Ar­rae nervös und abgeneigt ver­schrankt, das rechte Knie zu dem Aa­chen Sitz des geliebten Stuhls ge­drückt, wahrend sie halbwegs balan­ciert und er kann nicht entscheiden, ob sie sich anstrengend nach ihrem physikalischen oder seelischen Gleichgewicht sucht. Allerdings gibt diese Pose Anlass zur Verteidigung, zur Ablehnung jeglicher Annaherung von aussen. Dann - unerwartet - ándert sich das Bild: die Beine auseinanderge­spreizt steht die Frau vor ihm, ihr Becken vorgeschoben, herausfor­dernd, um mit verachtender Erge­• íg auch den Rest seiner Mannes­rde einzuziehen, zu ergreifen und mit ihrem Druck zu kastrieren. Eine Frau, die nach zwei - oder drei - stillen, mit Sturm drohenden Tagén, anstatt der gebührenden Wende und der logischen, zwar schwere Entscheidungen bedingten Selbstprüfung, jetzt wieder nur to­bend um sich herumschlagt und schreit: Ich brauch dich nicht! Dich brauch ich nicht! Eine Frau, die sich nervös in die Haare wühlt mit dem Knochenkamm ihrer zehn ausgestreckten Finger, ge­rade in dem Augenblick, als er sie umarmen würde. Eine Frau, die ihm ausgesprochen in jenem Moment Schrekken einja­gen will - mit ihrem unvorsichtigen und dummen Spiel, sich hinter ihn zu schleichen und ihm die Augen zu zu - drücken (na, wer bin bin ich?) -, als er endlich hinausblicken wollte hinter dem Berg hervor. Eine Frau steht vor ihm, die nicht gerührt wird von den bittérén Ge­sichtszügen seines Mannes. Ihr kalter Blick forscht immerfort danach, ob sie den Sattel schon bereiten kann fíir ihr Dressurgebilde, ob es endlich an der Zeit ist, zu triumphieren. Und inzwischen nimmt sie nicht das sich um sie herumschleichende Unge­heuer wahr. Obwohl es da ist. Seit langem. D. J. A. Wenn der Name RILKE in Un­garn ausgesprochen wird, fíihlt man fast dasselbe, was Heine damals im Gedicht „lm Október 1849" über die Ungam geschrieben hatte. Rilke ist so popular in der Lyrik wie Thomas Mann in der Epik flir die Magyarén, aber auch fíir die deutschsprachigen Leser. Rilkes vielleicht berühmtestes Lied schildert die melancholischen Lebenserfahrungen des reifen Mannes und ist zu jeder Zeit aktuell, im wahrsten Sinne des Wortes: zeit­los. HERBSTTAG Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr grófi. Leg dienen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren lafi die Win de los. Befiehl dem letzten Früchten voll zu sein; gib ihnen noch zwei südlichere Tage, drange sie zur Voliendung hin und jage die ietzte Süfie in den schweren Wein. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt alléin ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blátter treiben. (Drescher J. Attila) Béla Bayer Umsonst Umsonst verstecke ich mich hinter den Augen der Sterne, in mein Gesicht zieht ihr Mangel. •Werte Leser; mit Ihnen über Kunst nun regeimafiig auf diesen Sei­ten plaudern zu können freut mich sehr. Je mehr wir bedenken, wic abgestumpft und derb unser Leben ge­worden ist, desto wichtiger erscheint einem die a/ltág­liche Prásenz der Kunst. Wir sollten lemen mehr zu sehen, mehr zu hören und mehr zu fiihlen. Wir müs­sen unsere Sinne wiedererlangen. Kunst wird von dem Menschen für den Menschen, über ihn und seine Zustdnde gemacht. Das Theater ist einer der spannendsten Schauplat­ze der Menschen-Erkenntnis. Theater Leute werden nicht müde, zufragen, was VerzweiJJung und Hoff­nung, Glanz und Schrecken, Haji und Liebe im Le­ben des Einzelnen und der Gesellschaft ausmachen. Vorgekaute Antworten habén sie aber nicht paral. Das ist auch nicht ihre Aufgabe. Die Theaterangebote wahrzunehmen liegl in der Verantwortung eines jeden sich selber gegeniiber. Natiirlich ist es bequemer, sich abends nicht mehr an den Weg ins Theater zu ma­ciién, sondem sich der Miidigkeit übergebend das Panloffelkino zu geniefien. Die Freude allerdings, die das jeweilige Theaterpublikum als gemeinsames Er­lebnis mit nach Hause nimmt, bleibt einem so ver­sei gi. Besonders in einer Zeit, wo die innere Stimme ­die altéin imstande ist, in uns das Ehrlich-Menschli­che zu verwirklichen - durch Alltagshektik, Uberle­bens- und Durchsetzungssorgen, gar Krieg gewaltig iibertönt wird, wdre es doch töricht, auf die innere Kraftquelle, die Kunst heifit, zu verzichten meint Ihr András Frigyesi, der Ihnen ein frohes Weihnachtsfest, einen guten Rutsch und ein erfolgreiches neues Jahr wiinscht. »

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