Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)

Österreich-Ungarns Maritim-Militärische Präsenz in China: Vom Entsatz der Gesandtschaften bis Ende Januar 1901

Georg Lehner - Monika Lehner In Gaoliying hatte man am Morgen des 30. Januar durch zwei aus Beijing kommende Chinesen erfahren, dass europäische Truppen im Anmarsch wären und die Absicht hätten, die Häuser niederzubrennen. Um dies zu verhindern, hatte man eilends Quartiere und Lebensmittel für das österreichisch-ungarische Detachement vorbereitet. Noch in den Abendstunden des 30. und am Morgen des 31. Januar kamen weitere Chinesen aus Beijing nach Gaoliying, die sich nach der „Deputation“ erkundigten und auf Befehl Kubelkas gleich festgenommen wurden. In Proklamationen, die er auch in den Dörfern der Umgebung von Gaoliying affichieren ließ, forderte Kubelka die Bevölkerung auf, Personen die unter dem Schutze fremder Truppen Gelder einzutreiben beabsichtigten sofort festzunehmen und ihm vorzuführen. Berittene Patrouillen der k. u. k. Abteilung konnten bei Rekognoszierung der Gegend jedoch keine weiteren Mitglieder der „Deputation“ aufspüren. Am 1. Februar trat das k. u. k. Detachement bei eisigem Nordwind mit insgesamt 13 Gefangenen den Rückmarsch nach Beijing an und legte zu Mittag in Luting eine Rast ein. Mit Hilfe des dem Detachement beigegebenen chinesischen Dolmetschers klärte Kubelka die Hintergründe der „Deputation“ auf. Nach dreistündigem Marsch traf das k. u. k. Detachement um vier Uhr nachmittags im Chongzhai ein.1592 Die Gefangenen wurden verhört und „landesüblich“ mit 30 bis 50 Stockstreichen bestraft. Den „Rädelsführern“ wurde der Zopf abgeschnitten und zwei von ihnen wurde für eine Woche der so genannte „Holzkragen“'59’ angelegt, ein Dritter wurde zu 30 Tagen Arrest verurteilt.1594 1592 KA, MS/OK 1901-XI-2/1, Nr. 1 092, LSF Wenzel Kubelka an LDP, Peking, 28.2.1901. Beilage 1 zu ECiO an RKM/MS, Taku-Rhede, 31.3.1901. - In den Akten sowie bei W interhalder (1902), S. 529 wird der Name des chinesischen Dolmetschers in der korrumpierten Form „Wandatschi“ wiedergegeben. 1593 Der „Holzkragen“ wurde von den Europäern, unter anderem auch vom k. u. k. Eskaderkommandanten Montecuccoli (Skizze in KA, Nachlass B/830, Montecuccoli TB, S. 109), als „Kang“ (englisch: „cangue“) bezeichnet. Das Wort lautet im Chinesischen jia. Diese besonders erniedrigende Art der Bestrafung wurde in der Regel Dir kleinere Vergehen (wie etwa leichte Diebstähle) verhängt. Gewicht des Holzkragens und die Dauer der Strafe waren gesetzlich festgelegt. Vgl. dazu Guy Boulais, Manuel du Code Chinois. Da Qing lüli bianlan, Variétés Sinologiques No. 55, Chang-hai 1924. - Für gewöhnlich konnte der jia in der Nacht abgenommen werden, am Tage musste der Verurteilte von Freunden oder Verwandten gefüttert werden. Vgl. dazu Herbert Allen Giles, A Chinese-English Dictionary, 2nd revised and enlarged edition, Shanghai 1912, ND Taipei 1978, S. 139 (No. 1145), Notes and Commentaries on Chinese Criminal Law and cognate topics. With special relation to ruling cases. Together with a brief excursus on the law of property. Chiefly founded on the writings of the late Sir Chaloner Alabaster, K.C.M.G., etc. [...] By Ernest Alabaster, London 1899, S. 69 f. - Zum „Holzkragen“ (bisweilen auch als „Halsholz“ bezeichnet) vgl. auch Richard Wrede, Die Körperstrafen bei allen Völkern von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Kulturgeschichtliche Studien, Dresden 1898, ND Frankfurt a.M. 1984, S. 301-303. 1594 KA, MS/OK 1901 -XI-2/1, Nr. 626, ECiO an RKM/MS, Res. Nr. 221/M, Shanghai, 6.3.1901. - Vgl. dazu Winterhaider (1902), S. 529: „[...] kehrte er mit 13 Gefangenen zurück, wo sie die wohlverdiente Strafe, Stockstreiche, die drei Rädelsführer, unter ihnen auch der Dolmetsch, überdies Abschneiden des Zopfes und ein Monat [sic!] Holzkragen, respective Kerker, über sich ergehen lassen mussten.“ 434

Next

/
Oldalképek
Tartalom