Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)

Österreich-Ungarns Maritim-Militärische Präsenz in China: Vom Entsatz der Gesandtschaften bis Ende Januar 1901

Georg Lehner - Monika Lehner etwas vom Lager entfernt hatte, mit einer Schussverletzung wiederkehrte. Auch ein italienischer Offizier wurde bei einem Ritt nahe des Baihe attackiert und verwundet.1428 Die Straßen waren in äußerst schlechtem Zustand und mit Karren und Geschützen nur unter großen Schwierigkeiten zu benützen. Die von einem russischen Eisenbahnregiment betriebene Bahnlinie konnte vorläufig nur eingleisig bis Yangcun befahren werden. Von Tanggu konnten daher nur vier Züge pro Tag nach Tianjin und Yangcun geschickt werden. Dazu kam ein eklatanter Mangel an Baumaterial. Die Eisenbahnbrücke bei Yangcun, auf der der Baihe übersetzt werden sollte, war nach wie vor zerstört und auch die Wiederherstellung der zerstörten Strecke nach Beijing konnte aus Materialmangel noch nicht begonnen werden.1429 Die Postverbindung zwischen Beijing und Tianjin wurde von russischen Kosaken, japanischen Kavalleriekurieren und berittenen Kurieren der Chinese Imperial Maritime Customs aufrechterhalten. Russen und Japaner hatten zwischen Beijing und Tianjin eine Feldtelegraphenlinie eingerichtet. Die ebenfalls bestehende englisch-amerikanische Telegraphenlinie beförderte seit Anfang September 1900 keine fremden Depeschen mehr, was vor allem von deutscher Seite heftig kritisiert wurde. Die Briten waren auch als Einzige in der Lage, durch drahtlose Telegraphie vom Flaggenschiff aus mit einer in Dagu errichteten Telegraphenstation zu kommunizieren, während alle übrigen Mächte noch auf Tenderfahrten und Projektorensignale angewiesen waren.1430 Die Versorgung des k. u. k. Marine-Detachements in Beijing Aufgrund der durch die im Frühsommer ausgebrochenen Unruhen und die wochenlangen Kämpfe im Zentrum der Provinz Zhili bedingten Emteausfälle waren die wenigen Lebensmittelvorräte der Region relativ bald nach der Befreiung der Gesandtschaften aufgebraucht. Am 18. August wurde durch eine Vereinbarung der Befehlshaber der Kontingente das Plündern und Requirieren verboten, wodurch, wie Winterhaider schreibt, die „stillschweigende Duldung während der ersten drei Tage [...] nunmehr officiell vergessen zu machen getrachtet“ wurde.1431 Die hinter dieser Vereinbarung stehende Absicht war, dass sich dadurch „die friedlicheren Elemente der Stadtbevölkerung eher herbeilassen werden“ in ihre Häuser zurückzukehren und bemüht sein würden, ihre Handelsbeziehungen wieder aufzunehmen. Ende August waren erst wenige Bezugsquellen vorhanden. Der Schweizer Auguste Chamot, der sich als Direktor des „Hôtel de Pékin“ während der Belagerung der Gesandtschaften der Versorgung der Eingeschlossenen 1428 KA, MS/OK 1900-XI-2/7, Nr. 3 036, ECiO an RKM/MS, Res. No. 308/M, Taku-Rhede, 1.11.1900. 1429 Ebenda, Nr. 2 593, ECiO an RKM/MS, Res. No. 100/m, Taku-Rhede, 14.9.1900. 1430 KA, MS/OK 1900-X1-2/7, Nr. 2 593, ECiO an RKM/MS, Res. No. 100/m, Taku-Rhede, 14.9.1900. 1431 Winterhaider (1902), S. 423. 396

Next

/
Oldalképek
Tartalom