Sonderband 4. Das Institutionserbe der Monarchie. Das Fortleben der gemeinsamen Vergangenheit in den Archiven (1998)

Pál Pritz: Geschichte des ungarischen auswärtigen Dienstes 1918-1945

Geschichte des ungarischen auswärtigen Dienstes 1918-1945 den die Gesandtschaften in Brüssel und Den Haag eingestellt, nach dem Sturz Frankreichs wurde aus der Pariser Gesandtschaft ein Generalkonsulat, die Ge­sandtschaft als Institution wurde dagegen nach Vichy versetzt. Nach dem Angriff auf die Sowjetunion aber beendete die Moskauer Gesandtschaft spurlos ihre Tätig­keit. Infolge dieser Umstände verringerte sich bis November 1941 die Zahl der Ge­sandtschaften von 22 auf 20, die der Konsulate dagegen stieg von 16 auf 21. Dieses Wachstum widerspiegelt natürlich nicht die Veränderung der Anschauungen am Disz tér, sondern zeigt nur die Dramen der internationalen Lage. Die Bewegung der ungarischen Außenpolitik geschah damals zwischen den Koordinaten der An­passung und des stillen Widerstandes. Auf dem Gebiet des okkupierten Polens hielt Ungarn keinerlei Vertretungen aufrecht, dagegen ließ es in den besetzten österreichischen, tschechischen, serbischen, belgischen, französischen Gebieten ef­fektive Konsulate, in den holländischen, dänischen, norwegischen Gebieten aber Honorarkonsulate betätigen18. Die Arbeit des Dienstes verbesserte sich weiter. Gezeigt wird dies dadurch, daß in diesen Jahren viel weniger solche Erlasse herausgegeben wurden, die auf Mängel hinweisen, diese Mängel auszumerzen suchten. Die Verordnungen solcher Rich­tung erlauben die Folgerung, daß hier nicht von der nachsichtigeren Haltung der Leiter des Ministeriums gegenüber den Fehlern die Rede ist, sondern daß es sich in Wirklichkeit um das Widerspiegeln einer günstigeren Situation handelt. Als Zei­chen der Erstarkung der wirtschaftspolitischen Tätigkeit kann angesehen werden, daß die jährlichen zusammenfassenden Wirtschaftsberichte von 1937 angefangen nicht in den Konsularämtern, sondern in den Gesandtschaften zu erstellen waren. Die traditionell vielen Anomalien um die Einhaltung der Arbeitszeit konnten aber nicht ausgemerzt werden, und viel Schaden verursachte auch das Verbleiben der vielen, sich ebenfalls von Anfang an zeigenden Laxheiten um die Verschwie­genheitspflicht. Unter den Kriegsverhältnissen war dies noch unzulässiger, trotz­dem war bei der Führung des Ministeriums auf diesem Bereich keine Kraft vorhan­den, um eine Änderung herbeiführen zu können19. Übrigens beobachtete dieser Apparat, im Zeichen seiner konservativen bürgerli­chen Wertordnung, in den Jahren nach 1933 in seiner Mehrheit nur widerstrebend das innenpolitische Leben des braunen Reiches, seine auch über die Grenzen hin­ausstrahlende Einwirkung. Solcherweise wurde im Laufe der Zeiten der Hauptteil des auswärtigen Apparats bis zu einem gewissen Maße eine Bremse für die nach einer einseitigen deutschen Orientation drängenden einheimischen Kräfte. Zwi­schen 1942 und 1944 wurde er zu einer Stütze der außenpolitischen Bestrebungen des Ministerpräsidenten Miklös Källay, unterstützte seine Anstrengung, Wege zum Ausscheiden aus dem Krieg zu finden. Deshalb gerieten mehrere Angestellte des auswärtigen Dienstes nach der am 19. März 1944 erfolgten Besetzung Ungarns in die Gefangenschaft der Deutschen - beziehungsweise quittierten die in neutralen 18 Pritz 1995, 88-94. 19 Iratok (Dokumente) Nr. 60-62 und 68-70. 12

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