Sonderband 4. Das Institutionserbe der Monarchie. Das Fortleben der gemeinsamen Vergangenheit in den Archiven (1998)

Pál Pritz: Geschichte des ungarischen auswärtigen Dienstes 1918-1945

Geschichte des ungarischen auswärtigen Dienstes 1918-1945 sehenden stalinistischen Despotie, die die an ausländischen Standorten lebenden Diplomaten von der Mitte der dreißiger Jahre angefangen immer mehr in Angst versetzte, die Greuel und auch die menschlichen Tragödien14. Auf den ungarischen Dienst zurückkehrend kann festgestellt werden, daß die Beauftragung von Miklös Horthy jun. nicht ohne Widerstand vor sich gegangen sein konnte. Das zeigt sich darin, daß er keine Ernennung bekommen hatte, er als vertraglich bediensteter Beamter angestellt wurde, solcherweise trug er die zur Führung der Gesandtschaft notwendigen Formerfordernisse auch nur als einen Titel, er wurde kein außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, sondern wurde nur mit dem Titel eines außerordentlichen Gesandten und bevoll­mächtigten Ministers bekleidet. Die Crème des Dienstes bildeten das hundertfünf­zig Personen zählende Personal des Konzipistenkorps, die zwischen den einzelnen Beamten bestehende Hierarchie wurde durch die immer wieder modifizierte, immer wieder von neuem unzählige Beleidigungen hervorrufende Rangordnung vertreten15. Die Lage des Sohnes des Reichsverwesers wurde dadurch gut charak­terisiert, daß er in diese Rangordnung nicht eingereiht worden war. Seine Einglie­derung in die niedrigeren Regionen der Rangordnung war mit seiner hohen Beauf­tragung nicht vereinbar, andererseits wieder hätte es das Korps nicht ertragen, daß er erfahrenen, schon seit langem ihre diplomatische Laufbahn ausübenden Diplo­maten vorangestellt worden wäre. Der ungarische auswärtige Dienst wurde während des Prozesses der Beschrän­kungen, der Budgetherabsetzungen geboren, deshalb konnte man noch nicht ein­mal in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre behaupten, daß das Netz der auslän­dischen Vertretungen entsprechend ausgebaut worden wäre. So war von der Sicht der ungarischen Außenpolitik der gesamte asiatische Kontinent (die Türkei als europäische Macht betrachtend) ein riesengroßer weißer Fleck. In der ungarischen politischen und außenpolitischen Denkweise zwischen den zwei Weltkriegen hatten sich zwar auf Einwirkung des Trianoner Schocks die anti-westlichen Gefühle ver­stärkt, der Turanismus, der östliche Gedanke gewann an Terrain und so wurde von vielen Leuten auf einen Ausbau der östlichen Beziehungen gedrängt, insbeson- ders auf die Errichtung einer Gesandtschaft in Tokio. Doch erst Mitte 1939 wurde eine Entscheidung über die Verwirklichung dieses sich lang hinziehenden Planes getroffen. György Ghika, der Generalkonsul in New York, wurde mit dem Posten des neuen Gesandten beauftragt. Der damals bereits in seinem 59. Lebensjahr ste­hende auswärtige Beamte hatte seine Laufbahn noch im gemeinsamen Konsular­dienst begonnen, und gehörte zu den Personen, deren Übernahme nicht sogleich die Versetzung in den diplomatischen Bereich bedeutet hatte. Auch die Gesandt­schaft in Tokio führte er unveränderterweise in einer Einstufung als Generaikon­14 Im Bonner Archiv für Auswärtiges ist eine beträchtliche Menge von Dokumenten zu finden, die die Berichte der deutschen diplomatischen und konsularen Vertretungen über die Arbeit, die persönlichen Verhältnisse der mitbetroffenen Vertretungen umfassen. Diese Daten bieten ein fast zusammenhän­gendes Bild über die Gestaltung der derzeitigen internationalen Diplomatie, mit ihrer Hilfe ist es mög lieh, ausgezeichnete vergleichende Analysen zu erstellen. 15 S. z. B. die Rangordnung vom 1. März 1939. Iratok (Dokumente) Nr. 39. io

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