Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

Thomas Winkelbauer: Finanznot und Friedenssehnsucht. Der Kaiserhof im Jahre 1645

\ ben zufolge etwa 2 000 oder sogar immerhin rund 5 000 Mann) nach Böhmen zu­rückgekehrt sein5. Torstensson verstand es, unter Ausnützung der geographischen Verhältnisse und der Überlegenheit seiner Kavallerie die feindliche Armee durch Scharmützel und Abschneiden der Nachschubwege ohne größere Kämpfe vollständig zu ruinieren und zur Auflösung zu zwingen6. Gegen Ende des Jahres 1644 herrschte am Kaiserhof - als Folge der völlig desperaten militärischen, politischen und finan­ziellen Lage - die Erkenntnis, daß der Kaiser nun unbedingt einen Friedensschluß anstreben müsse7. Am 1. Jänner 1645 holte Ferdinand III.8 vom engsten Kreis seiner Geheimen Räte Einzelgutachten über die Frage ein, welche Möglichkeiten es denn noch gäbe, zu einem nicht von Schweden und Frankreich diktierten Frieden zu gelangen. Der Böhmische Kanzler Georg Adam Borita Graf von Martinitz9, der Sohn des „Fenster­sturz-Opfers“, zog am 4. Jänner ein niederschmetterndes Resümee: Licet in rei veritate et notorietate, aeraria Maiestatis Vestrae totaliter sint exhausta, provinciae maiori ex parte ruinis involutae et destructae, subditi pauculis demptis paupe­res, omnes belli taedio fracti, spe omni meliorum abiecta, pacis etiam turpis avidi10. Zur Beschaffung des für die Verstärkung der kaiserlichen Armee“ dringend benö­tigten Geldes schlugen die Räte unter anderem den Verkauf oder die Verpfändung von Mauten, ja von Städten, Festungen, Kammergütern oder gar (Teilen) von Kron­Finanznot und Fricdensschnsucht. Der Kaiserhof im Jahre 1645 5 Parker: Der Dreißigjährige Krieg, S. 261; Liva, Vaclav (Bearb.): Prameny k dëjinâm tricetileté vâlky [Quellen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges], Regesta fondu militare archivu ministerstva vnitra CSR v Praze, Teii 7: 1643-1645. Praha 1955, S. 8 f., 279 (5. Jänner 1645: von dem bei Magdeburg ste­henden Fußvolk gelangen täglich viele Soldaten nach Böhmen) und 286 (14. Jänner 1645: bei dem von Magdeburg kommenden Gallas’schen Fußvolk sind etwa 2 000 Pferde); Toegel, Miroslav: Bitva u Jan- kova - rozklad cisarské armâdy a politiky [Die Schlacht bei Jankau - die Auflösung der kaiserlichen Ar­mee und Politik]. In: Folia historica Bohemica 2 (1980), S. 283-309, hier 289; Broucek: Schweden­feldzug, S. 6. Zum Feldzug nach Flolstein unter Gallas im Jahre 1644 siehe jetzt vor allem Salm, Hubert: Armeefinanzierung im Dreißgjährigen Krieg. Der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis 1635-1650. Münster 1990 (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der neueren Geschichte 16), S. 30-46; zur Person von Gallas kurz: Schwarz, Henry F.: The Imperial Privy Council in the Seventeenth Century. Cambridge, Mass. 1943 (Harvard Historical Studies 53), S. 234-236. 6 Broucek: Schwedenfeldzug, S. 6 und 25 f.; Sörensson, Per: Das Kriegswesen während der letzten Periode des Dreißigjährigen Krieges. In: Historische Vierteljahrschrift 27 (1932), S. 575-600, hier 599. „Die eigene Armee zu .konservieren“, während der Feind gezwungen wird, ,sich selbst zu konsumieren“ [infolge fehlender Proviantvorräte oder Winterquartiere; Th. W.], das ist der Leitfaden fast aller Kriegfüh­rung zu dieser Zeit.“ Ebenda, S. 600. 7 Zur Verschlechterung der militärischen Lage des Kaisers im Jahre 1644 vgl. z. B. Ruppert, Karsten: Die kaiserliche Politik auf dem Westfalischen Friedenskongreß (1643-1648). Münster 1979 (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der neueren Geschichte 10), S. 72-75. 8 Zu diesem von der historisch-biographischen Forschung bisher stiefmütterlich behandelten Kaiser siehe die sehr gute, problemorientierte Zusammenfassung des Kenntnisstandes von Rep gen, Konrad: Ferdi­nand III., 1637-1657. In: Schindling, Anton - Ziegler, Walter (Hrsg.): Die Kaiser der Neuzeit 1519— 1918. Heiliges Römisches Reich, Österreich, Deutschland. München 1990, S. 142-167 und 480-482. 9 Schwarz : Privy Concil, S. 299 f. 10 Zitiert nach Ruppert: Politik, S. 365. 11 Zur kaiserlichen Armee in der letzten Phase des Dreißigjährigen Krieges zuletzt zusammenfassend Tep- perberg, Christoph: Das kaiserliche Heer nach dem Prager Frieden 1635-1650. In: Der Schwed’ ist im 1 .and! Das Ende des 30jährigen Krieges in Niederösterreich. Katalog der Ausstellung der Stadt Horn im Höbarthmuseum 1995. Horn 1995, S. 113-139. 2

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