Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)
Thomas Winkelbauer: Finanznot und Friedenssehnsucht. Der Kaiserhof im Jahre 1645
/ ländern (insbesondere an Bayern und Venedig) sowie die möglichste Reduzierung der Hofausgaben vor. In den Erblanden müsse das aus den Niederlanden stammende und von den Schweden mit Erfolg praktizierte Kantonalsystem12 eingeführt werden, d. h. den einzelnen Regimentern sollten Bezirke angewiesen werden, die ihnen als Winterquartier, Werbungs-, Proviant- und Ausrüstungsbasis - auch während des Feldzugs - zu dienen hätten. Auf diese Weise wollte man nicht zuletzt verhindern, daß die Soldaten das Land ausplünderten und völlig ruinierten, da sie sich damit selbst schaden würden. Die Länder sollten darüber hinaus das traditionellerweise der unmittelbaren Landesdefension dienende Landesaufgebot13 stellen, Sondersteuern - neue Aufschläge auf Wein, Mehl, Holz, Getreide, Wolle etc. (Akzisen), Vermögensund Kopfsteuern14 - sollten, auch gegen den Widerstand der Stände, eingeführt werden, um die letzten Kräfte der Länder zu mobilisieren. Georg von Martinitz machte sogar den bemerkenswerten, soweit ich sehe erst 1655 realisierten Vorschlag15, Delegierte der Stände aller Länder zur Beratung der zu ergreifenden Maßnahmen nach Wien zu berufen16. Mehrere Geheime Räte (der Oberstkanzler von Böhmen Wilhelm von Slavata17, der ehemalige langjährige kaiserliche Gesandte in Spanien Franz Christoph von Khevenhüller18 und der Hofkammerpräsident Ulrich Franz von Kolovrat19) empfahlen dem Kaiser - wie es scheint etwa gleichzeitig mit dem diesbezüglichen Entschluß Ferdinands III. -, sich selbst zur Armee zu begeben, um auf diese Weise sowie durch öffentliche und private inbrünstige Gebete und Anrufungen Gottes, der Thomas Winkelbauer 12 Gutachten Ferdinand Sigmunds von Kurz, Prag, 30. Jänner 1645: „Dann was den feindt [sc. die Schweden] starckh macht, ist nit die güette, sonder die viele unnd weitte seiner quartier.“ Ruppert: Politik, S. 393. 13 Vgl. u. a. Frauenholz, Eugen von: Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens, Bd. 3: Das Heerwesen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, Teil 2: Die Landesdefension. München 1939; Schulze, Winfried: Landesdefension und Staatsbildung. Studien zum Kriegswesen des innerösterreichischen Territorialstaates (1564-1619). Wien-Köln-Graz 1973; Stundner, Franz: Die Verteidigung des Landes Österreich unter der Enns im Dreißigjährigen Krieg (Mit besonderer Berücksichtigung der Maßnahmen der Stände und deren Auswirkung auf die Bevölkerung). Wien (phil. Diss.) 1949. 14 Vgl. Codex Austriacus, Teil 1. Wien 1704, S. 96. 15 Vgl. Beer, Adolf: Das Finanzwesen der Monarchie. In: Oesterreichischer Erbfolge-Krieg 1740-1748, hrsg. von der Direction des k. und k. Kriegs-Archivs, Bd. 1/1. Wien 1896, S. 197-295, hier 231 f; Krofta, Kamil: Snahy o spoleênÿ snëm domu rakouského v letech 1526 ai 1848 [Die Bemühungen um einen gemeinsamen Landtag des Hauses Österreich in den Jahren 1526 bis 1848]. In: Derselbe: Byli jsme za Rakouska ... Üvahy historické a politické. Praha 1936, S. 142-245, hier 221 f 16 „[...] opinarer oportunum, ut ex quavis provincia uti Bohemia, Moravia, Silesia, Austria Inferiori, Superiori, Stiria, Carinthia, Camiolia duo vel unus deputarentur, qui in aula Maiestatis Vestrae continuo assistant et quasi quoddam commune consilium provinciarum ex 16 personis formetur; qui a singulis provinciis vel plenam vel aliquam saltem habeant potestatem, quibuscum necessitates conferi et eorum auxilio, consilio et opera, quae necessaria forent, a provinciis commodius exigi possent, quibus Maiestas Vestra uteretur hinc inde in suas provincias pro re nata ablegandis, quae res, credo, multa facilitaret et provinciarum singularum in Maiestatis Vestrae Augustam domum et personam magis affectos et confidentes redderet animos, cum viderent eorum etiam votis rem communem geri.“ Gutachten Georgs von Martinitz vom 4. Jänner 1645, zitiert nach Ruppert: Politik, S. 366 (Hervorhebung Th. W.). 17 Vgl. z. B. Schwarz: Privy Council, S. 343-348 und passim. 18 Ebenda, S. 253-255. 15 Vgl. ebenda, S. 267 f. % 3