Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)
† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer
Karl VI., Triest und die Venezianer Rückzugsgefecht zu verstehen. Das waren sie keineswegs. Allzeit bestens informiert, wußten Doge und Senat was für die Monarchia Austriaca erreichbar war. Ohne Seemacht waren die hochgesteckten Projekte auf merkantil-maritimem Gebiet nicht zu verwirklichen. Vor 1730 waren auf der Triester Werft der Orientalischen Kompanie das Linienschiff „S. Leopoldo“ und die Fregatten „S. Teresa“ und „S. Elisabetta“ erbaut worden. Auch der Bau des Kauffahrers „Primogenito“ scheint in Triest erfolgt zu sein. Es geht aber aus dem in der Folge noch näher zu untersuchenden Memoriale „Motivi per li quali si dimostra non essere conveniente al servizio della Cesarea Maestà di fabricare li Buchi (Schiffskörper) delli vascelli di Guerra nel Litorale Austriaco“ hervor, daß für die Konstruktion der erwähnten Fahrzeuge Werftarbeiter aus Ham- burg nach Triest geholt werden mußten41. Recht treffend schildert in einem seiner letzten Dispacci (26. November 1718) vor seiner Ablösung durch Girolamo Priuli, Pietro Grimani den aktuellen Stand der Dinge. So würden dem Kaiser Pläne unterbreitet, wie etwa die Einrichtung eines großen Arsenals in Triest. FIolz und Eisen bekäme er aus Deutschland. Der Monarch würde so auch zur See die gleiche Potenz erwerben, die er auf dem Lande bereits besitze. Je weitreichender die Projekte aber wären, umso schwieriger sei dann deren Verwirklichung, und je mehr Pläne gleichzeitig geschmiedet würden, desto wahrscheinlicher sei der Mißerfolg. Es fehle dem Kaiser Erfahrung und die zur Realisierung seiner Projekte notwendige Beurteilungskraft42. Tatsache war und blieb es, daß die Wachboote des venezianischen „Capitano del Golfo“ die für Triest bestimmten Öl- und Salztransporte aus Süditalien und Sizilien weiterhin kontrollieren konnten. Die gegen den Bau von Kriegsschiffen im Litorale vorgebrachten Gründe sind nicht immer berechtigt, wie etwa die Beurteilung des Schiffbauholzes, aber im ganzen gesehen doch zutreffend. Inwieweit venezianischer Einfluß dabei federführend war ist nicht beweisbar. Der Verfasser der „Motivi“ spricht davon, daß alle seefahrenden Länder, wie England, Frankreich, Holland, Portugal und selbst Venedig ihre Großwerften nur dort errichtet hätten, wo ein reger merkantil-maritimer Verkehr bestehe und wo vor allem die notwendigen „Maestranze“, also Facharbeiter in ausreichender Anzahl vorhanden wären. Geeignete Werften wären in England an der Themse und in Plymouth und was Holland betrifft in Amsterdam angelegt worden. Einschlägige Anlagen gäbe es in Frankreich in Brest, Toulon und Marseille und was 41 HHStA Wien, Österreichische Akten, Triest-Istrien, Fasz. 10, fol. 20'undfol. 91 bis 98'. Da Heinrich Benedikt die in der obangefuhrten Denkschrift erwähnte Fregatte „S. Barbara“ als 1711 in Buccari erbaut anfilhrt, dürfte dieses Memoriale in den Jahren um 1720 vorgelegt worden sein. Vgl. Benedikt: Kaiseradler über dem Apennin, S. 270. 42 HHStA Wien, StA Venedig, Bd. 210 (nicht paginiert), Disp. 477, Wien, 26. November 1718 „... Tra le continuali applicazioni di questo mio Ministero la piü indefessa, è quella, che riguarda l’idea di questa Corte di stabilire un commercio sulFAdriatico ... Alcune volte si passa a far credere a Sua Maestà, ch’egli possa fabricar Arsenali col commodo de Legni e del Ferro dalla Germania e render si una Potenza consi- derabile sui mare, com’egli sulla Terra non stâ à me l’entrare nelTesame d’un vasto proggetto, ma à giudi- care se quanto egli è piü vasti tanto sia riuscire piü dificile nella sua esecutione ... ed è chi possiede manca certamente di quella esperienza, e di quei lumi, che sarebbero necessari per ben condurla ... ed abbracciar moite cose in una volta, tanto è piü versosimile, che si ritrovino insormentabili le opposizioni 45