Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)
† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer
Peter Gasser Um 1750 befaßte sich der Kommerzienrat mit einem Projekt, das bei gleichzeitiger Anlage von Kanalteilstücken auf eine Verbindung von Donau und Adria unter Einbeziehung der Flüsse Kulpa und Save hinzielte. Auch dieses Vorhaben blieb in der Vorbereitungsphase stecken. Aufsehen erregten 1786 die Pläne des Niederländers F. J. Maire, der Wien zum Mittelpunkt eines europäischen Kanalsystems gestalten wollte. „Die große Hauptstadt“, führte Maire u. a. an, „würde Schätze des Commerzes in ihrem Schoße aufnehmen und Sammelpunkt der Handelsleute von Europa werden, Handelsleute, die unter großen Gefahren die Weltteile umsegeln, würden den kürzeren und sichereren Weg vorziehen, ohne Gefahr von Seeräubern F. J. Maire arbeitete im ganzen neun Kanalprojekte aus. Für die Verbindung mit der Adria sind nur das erste und dritte Vorhaben von Interesse. Der erste Plan sah eine Verbindung Wiens mit Fiume vor, die über Baden und Wiener Neustadt zur Leitha und unter gleichzeitigem Ausbau des Leithaflusses zum Neusiedler See, dann quer durch den See in die Rabnitz und von dieser in die Raab flußaufwärts bis Fehring führen sollte. Dann wäre der Kanal südwärts verlaufen und hätte bei Radkersburg die Mur, bei Friedau die Drau und bei Agram die Save gekreuzt. Dann sollte er nach Südwesten abbiegen, die Kulpa zunächst und dann die Dobra erreichen, um so schließlich bei Porto Rè, unweit Fiume, in die Adria münden. Die dritte Version stellte die Verbindung Prag-Triest in Aussicht: Von der Moldau zur Donau, die Enns aufwärts in die Palten, in die Liesing und dann durch die Mur bis Judenburg. Von da südwärts zur Lanna bis zu deren Mündung in die Drau. Ein Kanalstück hätte die Verbindung Drau - Save hergestellt. Der Kanal wäre dann der Laibach bis zum Zirknitzsee gefolgt und dann westwärts Richtung Triest abgezweigt. Durch die Verbindung von Projekt I und Projekt III, mit Hilfe der Drau von Friedau bis Lavamünd, wäre der Schiffsverkehr zwischen Wien und Triest ermöglicht worden. Die Verwirklichung dieser gewaltigen Bauvorhaben hätte den Verkehr von und nach Triest wesentlich entlastet, da zur Verfrachtung der Güter über den Semmering nur die eine stark frequentierte Reichsstraße verfügbar war, auf der täglich nach beiden Richtungen 40 000 Pferde in Bewegung waren. Um 1795 bildete sich in Wiener Neustadt die „K. k. privilegierte Steinkohlen- und Kanalbaugesellschaft“. Dieses Unternehmen beabsichtigte den Bau einer Wasserstraße, um die Kohle nach Wien zu befördern. Kaiser Franz, dessen besonderen Schutzes sich die neugegründete Gesellschaft erfreute, wollte das Kanalsystem über Ödenburg und Raab, über Ungarn, Steiermark und Krain bis nach Varasdin und Oberlaibach erweitert wissen. Ausgeführt wurden jedoch nur die Teilstücke Wiener Neustadt - Wien und von Wiener Neustadt bis zur ungarischen Grenze19 20. Daß Karl VI. schon am Anfang seiner Regierung auf die Durchsetzung der „Libera Navigazione“ hinarbeiten würde, blieb den Venezianern, bei ihrem glänzend fünk19 Riebe: Der Wiener Neustädter Schiffahrtskanal, S. 7. 20 Mayr, Josef Karl: Wien im Zeitalter Napoleons. Wien 1940, S. 169. 38