Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer

Karl VI., Triest und die Venezianer daß die adriatische Küste mit Innerösterreich bzw. mit Ungarn und Kroatien ver­band. Hier hat der letzte Habsburger wahrhaftig Gewaltiges geleistet und so seinen Namen für alle Zeiten mit Triest und dem übrigen Litorale verbunden. Die Hebung oder vielmehr die Einführung eines „Comercium maritimum“ in Triest und Fiume von der Erklärung beider Städte zu Freihäfen, was inoffiziell der Nichtanerkennung des venezianischen „Dominium culfi“ gleichkam, abhängig zu machen und den Beginn des merkantilen Aufschwungs Triests mit den kaiserlichen Entschließungen der Jahre 1717 und 1719 gleichzusetzen, erscheint zumindest ge­wagt. Daß die Wohlfahrt der Monarchie von ihrer Handels- und Verkehrskapazität ab­hing, braucht wohl nicht ausdrücklich betont zu werden. Zieht man die Schiffahrt als billigste Transportmöglichkeit heran, so boten sich den böhmischen Tuchexporten die Elbe, der schlesischen Ausfuhr die Oder als nächstliegende Wege an. Der letzt­genannte Strom war allerdings für die erbländische Ökonomie nur von untergeord­neter Bedeutung, da der von Brandenburg eingehobene Transitzoll hoch und das Interesse an österreichischen Waren in Nord- und Nordosteuropa gering war. Für die Exporte nach dem Südosten kam zunächst die Donau in Betracht, deren Unterlauf und Mündung jedoch im Kontrollbereich der Pforte lagen. Die Gewähr einer klaglo­sen Transportabwicklung war daher trotz erheblicher Zollabgabe vor dem Abschluß des Friedens- und Handelsvertrages von Passarowitz in keiner Weise gegeben. Im Jahre 1714 waren dem Kaiser die reichen belgischen Niederlande zugefallen. Vorzüglich organisierte Häfen sowie ein kapitalkräftiger und routinierter Handels­stand hätten ohne Zweifel die erbländischen Erzeugnisse den westeuropäischen und überseeischen Märkten zuzuführen vermocht. Solche Bedingungen trafen in be­schränkterem Umfange auch für das österreichisch gewordene Neapel zu. Allein beide Neuerwerbungen, Belgien und Neapel, hatten keine durchgehende Landver­bindung zum übrigen geschlossenen Territorialkomplex des Erzhauses und wiesen so, maut- und zolltechnisch betrachtet, nahezu die gleichen Nachteile wie die bereits angeführten Ströme auf. Nur an der Adria hatte die Monarchia Austriaca die Mee­resküste erreicht. Nur an der Adria konnte daher das Ausfallstor zum Weltverkehr für die Erblande liegen. Karl VI. beherrschte bei seinem Regierungsantritt die zum Königreich Ungarn ge­hörende kroatische Küste von der Mündung der Zermaga bis Fiume und ferner den von Fiume bis an die venezianische Stadt Fianona heranreichenden Küstenstreifen Ostistriens. Die westistrianischen Küstenplätze Pola, Rovigno (Rovinj), Orsera (Urser), Parenzo (Porec), Cittanova (Novigrad), Pirano (Piran), Capodistria (Köper) und Muggia befanden sich, wie bereits erwähnt, seit dem Ende des 13. bzw. dem Beginn des 14. Jahrhunderts, im venezianischen Besitz. Von Zaule, einen beschei­denen östlichen Vorort Triests, bis zur Mündung des Timavo bei Duino gehörte das Küstengebiet zu Innerösterreich. Im Westen schloß sich, nur von der venezianischen Enklave Monfalcone unterbrochen, von Duino bis zu den Grenzen der veneziani­schen „Terra ferma“ das friaulische Seegebiet rings um Aquileia als Teil der gleich­falls habsburgischen Grafschaft Gradisca an. 35

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