Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer

Peter Gasser Sardiniens veranlaßt, das seit eh und je Neapel verbunden gewesene Sizilien an Karl VI. abzutreten. Der Monarchia Austriaca waren somit Gebiete an der Nordsee und am Mittelmeer zugefallen. Nachteilig war es, daß diese peripher und zerstreut gelegenen Provinzen von einer Zentralstelle aus nur schwer verwaltet werden konnten. Obendrein verfiel der Herrscher, aus einem menschlich zwar verständlichen, vom realpolitischen Ge­sichtspunkte jedoch unverzeihlichen Bestreben, sein legitimes Anrecht auf Ge­samtspanien immer wieder zu unterstreichen, auf den Gedanken, den 1713 in Wien geschaffenen Consejo de Espana, den Spanischen Rat, mit der Verwaltung der neu erworbenen Gebiete in Italien zu betrauen. Als Jüngling war Karl nach Spanien gekommen, wo er für die Zeit seines Lebens unauslöschliche Eindrücke empfing und auch jene spanische Eigenart, die in Über­schätzung der eigenen Stärke und Fähigkeit und im Jagen nach dem Unerreichbaren besteht, zu seiner eigenen machte. Marco Foscarini hat möglicherweise recht, wenn er in seiner „Storia arcana del Regno di Carlo VI. imperatore“ die Ansicht vertritt, daß Karl VI. den ihm zuerkannten Titel eines Katholischen Königs der kaiserlichen Würde vorgezogen hat13. Als kaum gereifter Mann kehrte Karl in die österreichische Heimat zurück. Auf manchem Kunstgebiet überdurchschnittlich begabt, berauschte sich seine Phantasie an den Formen des Barocks, die er irgendwie auch auf die rea­len Dinge des Lebens, auf Fragen der Staats- und Wirtschaftspolitik zu übertragen versuchte. Mit Elan einen kaum gefaßten Plan angehend, erlahmte sein Eifer und Interesse bei den ersten sich ergebenden Schwierigkeiten in den meisten Fällen na­hezu völlig. Die Fähigkeit, Erreichbares vom Unerreichbaren, Durchführbares und Undurchführbaren unterscheiden zu können besaß der letzte Habsburger nicht, auch wenn Karl VI. ökonomische Zusammenhänge möglicherweise klarer und rascher als Maria Theresia oder gar Joseph II. erfaßt hat. Die Literatur des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts hat Karls Verdienste um Triest, besonders um die Hebung des österreichischen Adriahandels, höher als es den historischen Tatsachen vielfach entspricht, veranschlagt14. Diese Werke zählen heute noch zu den namhaften Darstellungen der merkantilen Entwicklung des Lito­rale. Aus ihnen geht mehr oder minder klar hervor, daß Karl VI. Triest zu einem beachtlichen Zentrum des adriatischen Seehandels ausgestaltet hat. Diese Auffassung ist nur unter wesentlichen Einschränkungen berechtigt. Ein Werk konnte der Monarch der Nachwelt zurücklassen - ein großartiges Straßennetz, 13 Foscarini, Marco: Storia arcana del Regno di Carlo VI. Imperatore. In: Archivio Storico Italiano 5 (1843), S. 16. Die „Storia arcana“ ist ein 1735 der Signoria übermittelter Bericht, in dem der veneziani­sche Botschafter Foscarini, unter Charakterisierung aller maßgebenden Persönlichkeiten des Wiener Hofs die Gründe oftenlegt, die für den endgültigen Verlust der Königreiche Neapel und Sizilien ausschlagge­bend waren. 14 In diesem Zusammenhang wird auf das Standardwerk von Löwenthal: Geschichte der Stadt Triest, sowie auf die Arbeiten von Luschin von Ebengreuth: Österreichs maritime Anfänge in der Adria; und Neuman-Spallart: Österreichs maritime Entwicklung und die Hebung von Triest ver­wiesen. Auch die 1924 in Rom erschienene „Storia di Trieste“ von Attilio Tamaro wartet in dieser Hinsicht nicht mit neuen Erkenntnissen auf. 34

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