Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer

Peter Gasser sich als Johann Joachim Becher Zutritt und Einfluß am Wiener Hof gewann9. Dieser vielgereiste, vermutlich in Speyer 1625 geborene Mann, der Theologie, Medizin, Chemie und Mathematik studiert hatte, fand in England und vor allem in Holland sein wirtschaftliches Konzept verwirklicht10. Die für die Entwicklung der erbländischen Ökonomie von ihm entworfenen Pläne sahen nach holländischem Rezept die Errichtung großer und vom Staate privilegier­ter Handelsgesellschaften vor, wobei die Heranziehung möglichst vieler Personen zur Teilhaberschaft Monopolbildungen verhindern sollte. Die staatliche Privilegie­rung hatte nach Becher diese Unternehmen zu kontrollieren, ihnen bestimmte Auf­gaben zuzuweisen und diese Kompagnien so zu Werkzeugen der merkantilistischen Staatspolitik zu gestalten kurzum eine gemäßigte dirigierende Funktion auszuüben. Diesbezügliche Vorschläge, die Becher 1666 unterbreitete, wurden vom Monar­chen, dem Hotkammerpräsidenten Grafen Georg Ludwig Sinzendorf und dem Hof­kammerrat Gabriel Freiherrn von Selb einer eingehenden Prüfung unterzogen, als deren sichtbares Ergebnis eine stark an die Hofkammer angelehnte Behörde - das Commerzkolleg - gegründet wurde. 1670 forderte das Commerzkolleg im Zusammenhang mit seinen, nach einer Er­weiterung der Handelsbeziehungen mit Holland gerichteten Bestrebungen, von der innerösterreichischen Hofkanzlei in Graz ein Gutachten über die Handelskapazität Triests, das in die geplanten Merkantiloperationen eingebunden werden sollte. Kon­krete Ergebnisse wurden aber nicht erzielt. Becher war auch der geistige Promotor der ersten orientalischen Handelskompa­nie, deren Gründung 1667 in Wien erfolgte. Als Zentrum großangelegter Handelsun­ternehmungen war Wiens Lage in den Jahren vor 1683 noch zu exponiert und mit­hin die Stadt nicht der geeignete Platz für die Investierung namhafter Kapitalien. Die neugegründete Gesellschaft wickelte ihre Transporte nach dem Balkan und der Türkei auf dem Land- bzw. Donauwege ab. Die Warensendungen waren hier ständig dem Zugriff der auch in Friedenszeiten unberechenbaren Osmanen preisgegeben. Zudem führte der Hofkriegsrat, eine Verstärkung des türkischen Kriegspotentials befürchtend, Beschwerde über die von der Gesellschaft nach dem Osten getätigte Eisenausfuhr. Letztere schien aber in den Kalkulationen der Kompanie als der si­cherste Gewinnposten auf. Unter diesen Umständen erhoben sich verständlicherweise innerhalb der Gesell­schaft Stimmen, die zur Abkehr von dem gewohnten, als unsicher und gefährlich gewordenen Donauwege mahnten, und die Wahl einer anderen Route für die Waren­transporte befürworteten. Bereits 1675 wurde von diesen Kreisen der Wunsch geäußert, Triest zu einem Freihafen zu erklären und so gleichzeitig zum Zentrum des künftigen österreichi­schen Levantehandels auszubauen. Es ist unbekannt, ob die Wiener Kaufleute über die tatsächliche Kapazität des Triester Hafens und die im Küstengebiet herrschenden 9 Hassinger: Becher, S. 21 undS. 102. 10 Mayer: Die Anfänge des Handels und der Industrie in Österreich, S. 3. 30

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