Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer

Karl VI., Triest und die Venezianer Verkehrsverhältnisse richtig informiert waren. Fest steht, daß die orientalische Han­delskompanie, die im Entscheidungsjahr 1683 ihre Tätigkeit einstellen sollte, schon ab 1671 die Olivenöleinfuhr über Triest tätigte. Die Transporte wurden, da der ein­heimische Schiffsbestand völlig unzureichend war, durch venezianische Frachter abgewickelt. Die Belieferung der Binnenmärkte erfolgte, bedingt durch die prekären Verkehrswege, allerdings nur unregelmäßig und in unbefriedigendem Ausmaße. Nach 1683 konnte jener Weg, den der 1682 verstorbene Becher zur Emporbrin­gung der österreichischen Gesamtwirtschaft vorgezeichnet hatte, eingeschlagen werden. In der Erkenntnis, daß das jahrhundertelang währende venezianische Dominium im adriatischen Raum die Bildung von Handelskapital bei der Bevölkerung des österreichischen Küstenlandes nahezu gänzlich unterbunden hatte, sprach man letz­terer auch die Fähigkeit ab, aus eigener Initiative größere Merkantilprojekte durch- zufiihren11. Naheliegend war es daher, dem seinerzeitigen Vorschlag Bechers, nie­derländische Kaufleute zur Ausgestaltung der künftigen Emporien Triest und Fiume heran zuziehen, Folge zu leisten. Versuche aber, Handelsleute aus Ostende und Antwerpen zu einer Übersiedlung nach der Adria zu bewegen, sind vorweg gesagt erfolglos geblieben, nicht nur unter Leopold und seinen beiden Söhnen, sondern auch noch in maria-theresianischer Zeit. Man nahm erst dann davon Abstand, als man sich zur Erkenntnis durchgerun­gen hatte, daß nicht von den Niederländern, sondern von dem griechisch-levan- tischen Kaufmann der wirtschaftliche Aufschwung Triests zu erwarten sei. Die Verhandlungen Leopolds mit den Niederländern zogen sich in die Länge. Be­greiflicherweise wollten diese nicht auf einen sicheren und gut eingefiihrten Handel verzichten. Nüchterner als die Theoretiker am Wiener Hofe beurteilten sie die im Litorale herrschenden Verhältnisse. Gespräche über Fiume wurden von den Nieder­ländern mit der Begründung abgewiesen, daß die Zufahrt zu diesem Hafen durch die vorgelagerten venezianischen Quarneroinseln Lussin, Cherso und Veglia (Krk) je­derzeit gesperrt werden könnte. Was Triest selbst betraf, so war den Kaufleuten aus Ostende und Antwerpen keineswegs verborgen geblieben, daß die Hafenanlage unzu­länglich, und bei dem Fehlen benützbarer Verkehrswege umfangreichere Waren­transporte von und zum Meere auf unlösbare Schwierigkeiten stoßen müßten. Um Zeit zu gewinnen, schlugen sie vor, eine mit ausschließlichen Vorrechten ausgestat­tete Handelsgesellschaft in Triest zu errichten. Kaiser Leopold wollte jedoch allen Kaufleuten die freie Warenein- und ausfuhr in Triest zugestehen. Leopold sah die Notwendigkeit einer generellen Herabsetzung der Zölle und Mauten sowie die Dringlichkeit umfangreicher Herstellungsarbeiten am Triester Hafen ein. Er ver­schloß sich auch nicht jenen Stimmen, die eine gerechte Rechtssprechung in Han­11 HHStA Wien, Österreichische Akten, Triest-Istrien, Fasz. 9, fol. 403r „si potrà sempre contraporsi all’introduzione di commercio, che quelle provinzie situate vicin’alla cità (Trieste) siano quasi tutte infrut- tuose e sterili... Et essendo gli abitanti molto poveri, senza mezzi e sostanze, loro non si trovano in stato di poter sostenere il Commercio ..." (Aus dem Promemoria des Freiherm Johann Anton von Widman vom 2. Dezember 1730). 31

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