K. k. katholischen ober-gymnasiums, Schemnitz, 1856

1 i Die imaginären Zahlen. —+****•— Jede Wissenschaft vereinigt in sich Stoff und System. Der Stoff, da er in einer Wahrnehmung besteht, muss als gegeben nachgewiesen werden : das System, da es von der Verstandesthätigkeit bedingt ist, bedarf einer besonderen Würdigung. Den Stoff für die Arithmetik machen die Zahlen aus: man würde sich aber sehr täuschen, wenn man das Gesammtgebiet aller Zahlen als ein von vorn herein gegebenes ansehen Wollte; aus der Geschichte der Mathematik ist es klar, dass die meisten der jetzt bekannten Zahlengattungen erst im Laufe der Arithmetik selbst sich bildeten. Bevor wir den Begriff der imaginären Zahlen, ihre räumliche Darstellung, sowie die Rechnungs­operationen mit denselben auf elementaren Weg einer näheren Untersuchung unterwerfen, betrachten wir die systematische Entwickelung des arithmetischen Stoffes, der Rechnungsoperationen und Zahlengattungen. Nichts ist einfacher, als die Entstehung der Zahl. Wenn mehrere Dinge irgend einer Art in eine Reihe gestellt werden so, dass jedes von ihnen seinen bestimmten Platz erhält, so ist die Vorstellung dieser Stelle eben die Zahl. Auf diese Weise entsteht zunächst die natürliche Zahlenreihe 1, 2, 3, 4, ___und diese bildet vor d er Hand das einzige, was.als der gegebene Stoff in der Arithmetik braucht angesehen zu werden. Was nun die Arithmetik mit dieser Zahlenreihe zu beginnen habe, um mit ihrer Hülfe die bisher bekannten Rechnungsarten und Zahlengattungen ableiten, und ihren schönen Zusammenhang nach weisen zu können, ist das Geschäft des arithmetischen Systems. Als Grundlage für jedwedes Rechnen ist der Übergang von irgend einer Zahl zu ihrer Nachbarin, eine Operation, die passend mit einem Schritte verglichen werden kann. Geht man von irgend einer Zahl aus um so viel Schritte weiter, als eine andere Zahl dieses anzeigt, so gelangt man zu der ersten arithmetischen Operation, zu der Addition in ilirer einfachsten Gestalt; jene Zahl, zu welcher man bei diesem Fortgange ge­langt, nennt man die Summe jener Zahlen.Durch die Wiederholung der Addition eines und desselben Addendes gelangt man zu der nächst höheren Rechnungsart, zu der Multiplication ; aus der wiederholten Multiplication eines und desselben Factors entsteht die Fotenzirung. Aus der Umkehrung dieser drei directen Operationen entsteht der Begriff der vier inversen Operationen, der Subtraction, der Division , der Radication und der Logarithmation. Da die wiederholte Potenzirung, d. h. die Potenz irgend einer Potenz wiederum eine Potenz ist, so sieht man leicht ein, dass durch eine solche Wiederholung nichts Neues gewonnen wird: die Reihe der Rechnungsoperationen schliesst sich also mit der Potenzirung, und wir haben in der Arithmetik drei directe und vier inverse Operationen. Eine neue höchst wichtige Aufgabe ist es, die vorhin genannten Operationen unter allen Umständen ausführbar zu machen. Diese Aufgabe entspringt aus der Bemerkung, dass die inflirecten Operationen in vielen Fällen mit den absoluten ganzen Zahlen, wie man die|natürliche Zahlenreihe 1, 2, 3, 4, ....... nennt, nicht a usführbar waren. Diese Unmöglichkeit liegt aber nicht in dem Bregriffe jener Operationen, sondern ist die Folge des Mangels an Zahlen, der Einseitigkeit und Lückenhaftigkeit der Zahlenreihe.- man erweitere auf eine passende, durch die inversen Operationen selbst angezeigte Art das Zahlengebiet, und jene Unmöglichkeit wird verschwinden. 1*

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