Magyar Műemlékvédelem (Országos Műemléki Felügyelőség Kiadványai 14. Budapest, 2007)
ÉPÜLETEK HOMLOKZATI FELÜLETKÉPZÉSÉNEK ÉS SZÍNESSÉGÉNEK TÖRTÉNETISÉGE. KONFERENCIA (BUDAPEST, 2005. NOVEMBER 17-18.) - MANFRED KOLLER: Architekturfarbe in Italien und Mitteleuropa vom 16 bis 18. Jahrhundert: Farbbedeutung und Farbwirkung der Materialien und Techniken
ARCHITEKTURFARBE IN ITALIEN UND MITTELEUROPA VOM 16. BIS 18. JAHRHUNDERT: FARBBEDEUTUNG UND FARBWIRKUNG DER MATERIALIEN UND TECHNIKEN MANFRED KOLLER Seit der Antike gehört zur Theorie und Praxis von Architektur eine hoch entwickelte Behandlung der Oberflächen nach technischen und ästhetischen Kriterien. Die verschiedenen Typen von Architekturfarbe und ihrer Bedeutung für die Bau- und Kunstgeschichte haben sich auf den, in der italienischen Renaissance wieder aufgenommenen, antiken Grundlagen weiter entwickelt. Im ersten umfassenden Handbuch der Architekturlehre, den Augustus gewidmeten 10 Bücher über die Architektur, hat Vitruv die Baukunst nach drei Kriterien gegliedert: 1. Stabilität (fir mitas) 2. Funktion (utilitas) 3. Schmuck (venustas) - Die Schmuckfunktion diskutiert Vitruv nach 6 verschiedenen Eigenschaften: Ordnung, Disposition, Harmonie, Symmetrie, Decorum und Distribution Decorum bedeutet für Vitruv die Ausgeglichenheit (Balance) zwischen Form und Inhalt. Leon Battista Alberti, als erster Promotor Vitruvs, folgt in seinen 10 Architekturbüchern um 1450 Vitruv's Systematik der Ordnung von Material und Konstruktion zu Funktion und Bautypus sowie zuletzt der Dekoration. Alberti sieht den Bauschmuck jedoch eher als dekorative Zutat und weniger im Sinne der ganzheitlichen Balance bei Vitruv. Die meisten späteren Autoren folgen der Version Albertis, doch noch bei Palladio findet sich weitgehende Kongruenz von Form und Inhalt. So lässt sich die Geschichte der Architekturfarbe als immer wiederkehrende Polarität zwischen Materialfarbe und Bedeutungsfarbe verstehen und erforschen. Oberflächenstrukturen (glatt-rau) und Farben erhalten ihre Bedeutung, entweder als Materialimitation (Nobilitierung), als funktionale Farbigkeit (z.B. Außen- gegen Hoffassade) oder als inhaltliche Interpretation der gebauten Form (Bedeutungsfarbigkeit). Die Kenntnis dieser Faktoren ist selbstverständlich auch für die Richtigkeit von Restaurierkonzepten und -projekten in der Baudenkmalpflege unverzichtbar. 1 A) ITALIEN Die Erforschung der historischen Putz- und Farbtechniken der Neuzeit mit ihren zahlreichen regionalen Varianten seit dem 16. Jahrhundert ist in Italien am weitesten gediehen. 2 Für Rom im Frühbarock um 1600 beschreibt der Marchese Vincenzo Giustiniani die damals üblichen Inkrustationen auf Travertin- und Ziegeloberflächen: „Die erste Manier um Inkrustationen (incrostature) von Palastfassaden und anderen vornehmen Bauwerken Roms zu machen sind Ziegel, entweder rauh wie sie aus dem Brennofen kommen, oder trocken geschliffen und dann gut stukkiert, wie man unter anderen auf den Fassaden des Collegio Romano und des Jesuitenkoventes sieht oder sie sind naß geschliffen und noch perfekter stukkiert wie die Fassade des Palazzo Farnese und die Seitenfassaden von S. Susanna zeigen, oder moderne Bauten bei S. Maria Maggiore und andere." 3 Diese„stuccature delle cortine laterizie" (Verputze für Ziegelmauern) für regulierte Wandoberflächen hatten vor allem ökonomische Bedeutung, da sie halb soviel kosteten wie Steinoberflächen und durch den Stucküberzug ähnliche Festigkeit erhielten. So sollten 1610 bei der Kirche S. Giovanni dei Fiorentini die Steinmetzen rationellerarbeiten und statt Travertin stukkierte Ziegel einsetzen. 4 Zur Nachahmung von Travertinoberflächen war in Rom schon im 16. Jahrhundert ein eigener„Travertinstuck" aus Löschkalk mitTravertinsand üblich (z.B. Palazzo Massimo alle Colonne von Peruzzi), womit man aber auch Ziegelmauern auf Steinart überzogen hat (z.B. die Belvederehöfe im Vatikan von Bramante). 5 Für den Palazzo del Tè in Mantua von Giulio Romano wird eine Stuckvariante aus Kalk mit Dolomitkörnung kontrovers diskutiert (materialsichtig als eine Art Steinputz oder mit Tünche) 6 Eine im späten 16. Jahrhundert als„colla alla Genovese"(Genueser Leim) am Lateranspalast unter Sixtus V eingesetzte Sparvariante mit Kalk und Weißsand hat dann in Rom weitere Nachfolge gefunden. 7 Für die römische Architektur des Seicento (Bernini, Borromini, Carlo Fontana) wird der echte Travertinstein und seine Bemalung mit „color travertino" auf echtem Stein und Putz bestimmend. Zur Restaurierung älterer