Karl Alfred von Zittel: Handbuch der Palaeontologie. 1. Abtheilung, Paleozoologie. II. Band: Mollusca und Arthropoda (München und Leipzig, 1885)
V. Stamm. Mollusca, Weichthiere - B. Mollusca (s. str.) - 1. Classe. Lamellibranchiata. Blätterkiemener, Muscheln
Organisation des Thieres. 5 Wo also eine sog. Mantelbucht vorkommt (Sinupalliata) , kann auf die Anwesenheit zurückziehbarer Siphonen geschlossen werden; wo dagegen der Manteleindruck eine einfache, ununterbrochene Linie bildet (Integripalliata) , sind die Siphonen entweder klein und entbehren der Retractormuskeln oder sie fehlen vollständig. Durch die untere Siphonairöhre bewegt sich beständig ein Wasserstrom nach innen, welcher direct zu den Kiemen führt. An der Oberfläche dieser ziemlich ausgedehnten Blätter sammeln sich alle mit dem Wasser eindringende Körperchen, von denen die zur Ernährung brauchbaren nach dem in der Nähe der Wirbel gelegenen Munde geführt, während die unverdaulichen nebst den Excrementen des Darms von dem nach aussen fliessenden Strom der oberen Siphonairöhre beseitigt werden. Die Kiemen sind paarig entwickelt und bestehen jederseits aus zwei dünnen Blättern von gitterförmiger Beschaffenheit, welche unmittelbar unter den Mantellappen liegen. Zahlreiche Wimperhaare auf ihrer Oberfläche bewirken eine beständige Wasserströmung. Das äussere Kiemenblatt bleibt häufig hinter dem inneren an Grösse zurück, ja kann unter Umständen fast ganz verkümmern oder mit dem inneren verwachsen. Ein gitterförmiges System chitinöser Hohlleistchen bildet gewissermassen ihr festes Gerüst, und manchmal bleiben diese Leistchen unverbunden und stellen parallele Reihen feiner Fädchen dar. Das Blut wird den Kiemen durch ein mit zwei Ohren versehenes Herz zugetrieben, welches auf der Rückenseite des Thieres, unter dem Schloss gelegen ist. Vor dem Herzen befindet sich der Mund, eine mit lappenförmigen Anhängen versehene, jedoch besonderer Kauwerkzeuge (wie Kiefer oder Zunge) entbehrende Querspalte, die in eine kurze Speiseröhre und darauf in eine als Magen bezeichnete Erweiterung führt. Ein stark verlängerter von Leber und Geschlechtsdrüsen umlagerter Darm erstreckt sich unter mancherlei Windungen in den Fuss, steigt darauf hinter dem Magen wieder in die Höhe, durchbohrt merkwürdigerweise das Herz und tritt darauf als Afterröhre in die hintere Mantelhöhle oder in den oberen Kloakensipho ein. Neben Leber und Geschlechtsorganen befinden sich auf der Dorsalseite des Thieres auch die Nieren, sowie drei Paare bei allen Lamellibranchiaten ziemlich gleichmässig angeordnete Ganglienknoten (Schlundganglion, Fuss- und Kiemenganglion), von denen ein ziemlich verwickeltes System von Nervenfäden nach verschiedensten Richtungen ausgeht. Als Gehörorgane werden paarige, mit dem Fussganglion verbundene Blasen gedeutet; als Augen bunte Pigmentflecken am Mantelsaum oder am Ende des unteren Sipho; als Tastorgane dienen wahrscheinlich die beiden Mundanhänge, sowie die Ränder und Tentakeln der hinteren Einströmungsröhre.