Leopold Auer - Manfred Wehdorn (Hrsg.): Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv (2003)

Bestände - III. Haus - Hof - Staat

124 Haus 10 Hinter den Kulissen 1869/70, Wien Franz Joseph I. an Kabinettsdirektor Adolf Braun Eigenhändig, eine Seite, deutsch Archiv Braun, Nachlaß Adolf Braun 35 Adolf (Ritter, später Freiherr) von Braun (t 1904) war seit ca. 1860 als hoher Beamter im unmittelbaren Dienst um Kaiser Franz Joseph, 1865-1899 als Direktor der k. u. k. Kabinettskanzlei tätig. Er erwarb sich so sehr das Vertrauen des Kaisers, daß er für ihn viele persönliche Briefe konzipieren durfte bzw. auch Briefe im Sinne des Kaisers beant­worten konnte. Im gegenständlichen Schreiben ersucht Franz Joseph Braun, wegen einiger Artikel in der „Neuen Freien Presse", in denen der Reichskanzler Friedrich Ferdinand Beust (1809- 1886) angegriffen wird, des Kaisers „schmerzliches Erstaunen über seine Korrespon­denz aussprechen zu lassen, die einen Mann betrifft, über dessen Gesinnung man wohl nicht in Zweifel sein kann". Der sächsische Minister Beust war von Franz Joseph 1866 gegen starke Widerstände seitens Bismarcks, der in Beust seinen persönlichen Feind sah, als Außenminister nach Wien berufen und schließlich zum Reichskanzler ernannt worden. Bismarck regte im September 1870 eine Pressekampagne gegen Beust an, weil er ihn als Hindernis für eine Annäherung zwischen Österreich-Ungarn und Deutschland betrachtete. Man könnte vermuten, daß der vorliegende undatierte Brief des Kaisers in diesem Zeitraum und Zusammenhang entstanden ist. Daß Franz Joseph in dieser Angelegenheit an Beust keinen direkten Brief richtete, scheint verständlich: Er konnte nicht riskieren, daß eine wie auch immer geartete pri­vate Äußerung zu einer vermutlich sehr heiklen politischen Frage an die Öffentlichkeit gelangte. Wie sehr der Kaiser Beust auch persönlich schätzen mochte, so wollte er sei­netwegen doch keine politischen Schwierigkeiten heraufbeschwören. Elisabeth Springer

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