Leopold Auer - Manfred Wehdorn (Hrsg.): Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv (2003)

Bestände - III. Haus - Hof - Staat

125 mb. Hof „Hof wird genennet, wo sich der Fürst aufhält", so definierte es im Jahr 1735 der Verfasser eines Artikels im Zedlerschen Universal-Lexikon. Diese Definition bezeichnet die wichtigste Person des Hofes, wird aber seiner Multifunktionalität nicht gerecht. Der Begriff „Hof" steht für eine Vielzahl an Bereichen, die von administrativen bis zu juris­tischen und politischen Aufgaben reichten. Zum „Hof" gehörten alle sich rund um den Herrscher aufhaltenden Personen, die eine Funktion innehatten, vom Obersthofmeister, der zeitweise den Vorsitz im Geheimen Rat führte, bis hin zum „Säuberungsweib". Aus den vorgegebenen Aufgabenbereichen an Verwaltungs-, Gerichts- und Ehrendiensten entstanden im Mittelalter die klassischen Hofämter: Hofmeister, Truchseß bzw. Kämmerer, Marschall und Stallmeister. An der Spitze der vier Hofämter standen nominell die vornehmsten Reichsfürsten, welche im Hochmittelalter tatsächlich die damit verbundenen Dienste am Hof versahen. Diese Hofämter wurden im Rahmen des Hl. Römischen Reichs schon relativ früh zu reinen Ehrenämtern der Kurfürsten. Die Träger der Erzämter traten in ihren Funktionen nur noch bei besonderen Anlässen wie dem Krönungsmahl oder der Eröffnung eines Reichstages auf, um gemeinsam mit dem Herrscher die Würde des Reiches zu reprä­sentieren (Nr. 1). Durch die personelle Bindung des Kaisertums an die Habsburger entstand das Problem der mehrfachen Hofhaltung. In den habsburgischen Territorien entstanden neben den Reichsämtern vergleichbare Landeserbämter, und in jedem Erbland übernahmen die landständischen Adeligen die Ehrendienste an den Höfen der Landesfürsten (Nr. 2). Die Verwaltung des kaiserlichen Hofes zu Wien stand unter der Aufsicht der vier obersten Hofämter: Obersthofmeister-, Oberstkämmerer-, Obersthofmarschall- und Oberststallmeisteramt. Das Obersthofmeisteramt war das wichtigste der vier großen Hofämter, es hatte neben seinen zentralen Aufgaben wie Administration und Besoldung aller Hofdienste die Aufsicht über das Zeremoniell, die Hofwirtschaft, die Hofbauangelegenheiten, die Ordensangelegenheiten, die Hoftheater, die Hofapotheke, die Hofburgpfarre und die Hofjagdangelegenheiten. Als zentraler Aufgabenbereich oblag dem Obersthofmeister die Anstellung und Besoldung der Hofbediensteten sowie die Aufsicht über die Uniformierung der Hofbeamten (Nr. 7). Auch das Hofzeremoniell war ein sehr großer und wichtiger Bereich. Das Wiener Hofzeremoniell umfaßte Fragen der Etikette, der Rangangelegenheiten, der Organisierung von Feierlichkeiten sowie Sicherheitsfragen. Der Zutritt zu den Gemächern des Herrschers war streng geregelt und fein abgestuft, wobei die Erlaubnis, ein bestimmtes Gemach zu betreten, grundsätzlich rangbezogen war (Nr. 3). Das Zeremoniell betraf alle Lebensbereiche des Herrschers und seiner Familie. Besonderen Wert legte man auf die Einhaltung des Zeremoniells bei Hoffestlichkeiten: Geburt, Hochzeit, Krönung und Tod wurden auf das festlichste insze­niert und sollten die Bedeutung und die Macht der Dynastie widerspiegeln (Nr. 5). Auch die vom Zeremonielldepartement je nach Anlaß gestalteten Drucksorten - Hoftraueransagen, Hofballeinladungen, Menükarten, Musikprogramme etc. - sind Ausdruck des höfischen Lebens und eine kulturhistorisch bedeutsame Quellengattung (Nr. 6). Der dem Obersthofmeister unterstellte Oberstküchenmeister war für die gesamte Hofwirtschaft - Hofküche, Hofzuckerbäckerei, Hofzehrgaden und Hofkeller - zustän­dig. Er gestaltete mit den Hofköchen die kaiserlichen Speisepläne, die dann in der Hofküche bzw. Hofzuckerbäckerei ausgeführt wurden. In der Hofburg verfügte der Wiener Hof seit Beginn des 20. Jahrhunderts über eine modernst ausgestattete Küche (Nr. 8).

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