Willi Klinkhammer: Krankenhausseelsorge im staatlichen und kirchlichen Recht - Studia Theologica Budapestinensia 21. (2000)

2. Anthropologische und theologische Grundlegung der Seelsorge im Krankenhaus - 2a) Der kranke Mensch

In verminderter Selbständigkeit und damit einer „Schwächung der Ich — Funktion"26 des Patienten stellen der behandelnde Arzt sowie andere Mitarbeiter als nächste Bezugspersonen sowohl Objekte der Bewunderung wie auch der Aggression dar. Das Verhalten von Kranken erinnert dann an das von Kindern und die vorfindlichen Krankenhausstrukturen fördern diese „regressiven Tendenzen"27 des Patienten: er wird teilweise entmündigt und wie ein kleines Kind be­handelt. Das ist eine Erklärung, „warum im kranken Menschen die Emotionalperson vorherrscht und warum das Unterbewußte domi­niert".28 Diese Verhaltensweisen des kranken Menschen sind daher regressiv zu nennen, weil sie es ihm erlauben, durch ein Ausweichen auf diese frühen und obsoleten Verhaltensmuster eines Kindes die Unsicherheit und Angst zu ertragen.29 Die Unsicherheit des Patienten vor Diagnose und Prognose, auch das ungewollte Ausgeliefertsein an Menschen und deren Wohlwol­len, an Medikamente und an Techniken werden vom kranken Men­schen „als starke Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls"30 erfahren. Auch leidet der Patient darunter, daß er in vieler Hinsicht Einbußen seiner persönlichen Freiheit erlebt.31 Die allgemeine psychische Ver- faßtheit eines kranken Menschen wird wohl am besten „durch Angst, Affektlabilität und ein Gefühl der Unfreiheit beschrieben".32 Dieses Gefühl von Unwertigkeit und Unfreiheit wird als eine „bis an die Wurzel gehende Krise" erfahren, da unsere Gesellschaft auf Leistung fixiert ist , insofern sie eine Industriegesellschaft mit den notwendi­gen Implikation darstellt. „Wertschätzung wird mit Leistung erwor­ben,^..), Leistungsabfall hat den Entzug von Zuwendung zur Folge".33 Der Kranke spürt diese „bedrohliche Isolierung und Abson­derung von der Welt, den Verlust der sozialen Bezüge".34 Anders ausgedrückt, ist der äußere Lebensrahmen des Kranken notwendig ein anderer, „da er durch seine Krankheit herausgenom­26 Faber, Seelsorge, S. 21. 27 Piper, Kranksein, S. 34. 28 Ebd. 29 Vgl. Pastorale, S. 20 und auch Piper, Kranksein, S .34. 30 Mayer-Scheu, Seelsorge, S.12. 31 Pastorale, S.19. 32 Ebd., S. 18. 33 Piper, Kranksein, S. 33. 34 Ebd. 20

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