Anton Millner: "Die Gefangenenseelsorge" - Studia Theologica Budapestinensia 1. (1990)
III. Kapitel. Die theologische Grundlegung und die kirchliche Praxis der Gefangenenseelsorge
Bedeutsam für die Reform des Strafvollzugs ist auch das Wirken des Papstes KLEMENS XI (1700-1721) der 1703 in Rom das Jugendgefängnis San Michele gründete. Die erzieherischen und seelsorglichen Leitgedanken dieser Anstalt sind der Eingangsüberschrift zu entnehmen: "Parum est coercere improbos poena, nisi probas efficias disciplina."1 In diesem "Böse-Buben-Haus" San Michele waren die Gefangenen auf päpstlicher Anordnung nach Alter und sittlicher Beschaffenheit in verschiedene Klassen eingeteilt werden. Mit dieser Idee der Erkenntnis des Besserungsgedankens als Funktion des Gefängnisses hat KLEMENS XI neue Wege beschritten und bahnbrechend gewirkt.1 2 Die genannten Einzelinitiativen führten oft zu privaten Vereinsgründungen, die den Durchbruch zu einer geordneten, seelsorglich qualifizierten Behandlung der Gefangenen ermöglichten: Quäcker gründeten 1776 in Pennsylvanien, USA, die erste "Gefängnisgesellschaft". In Deutschland wurde die von Pastor Theodor Fliedner 1826 gegründete Rheinisch-Westfälische Gefängnisgesellschaft zum Vorbild für weitere Vereinsgründungen in verschiedenen deutschen Ländern. Fliedner hatte wie Wiehern die von Elisabeth FREY (1780-1845) in England geförderte seelsorgliche Betreuung der Gefangenen kennengelernt und den Aufbau einer kirchlichen Gefangenenseelsorge durch bestellte Seelsorger initiert.3 In Wien entfaltete der 1777 in Brünn geborene Fürsterzbischof Vinzenz Eduard MILDE (1832-1853) eine segensreiche caritative Tätigkeit, die auch Gefangene und deren Familienangehörige miteinschloss.4 1. Ebd.S. 114 f. 2. Vg. PASTOR, Ludwig Freiherr von: Geschichte der Päpste, Bd. 15, Freiburg 1930, S. 361 3. Vgl. GAREIS, Balthasar: Seelsorge in Justizvollzugsanstalten. In: Essene Gespräche zum Thema Staat und Kirche (28). Hrsg. MARRÉ, Heiner und STUT1NG, Johannes, Münster 1989, S. 63. und ROTTENSCHLAGER,Karl: Das Ende der Strafanstalt, Wien - München 1982, S: 222 f 4. Vgl. TOMEK, Ernst: Kirchengeschichte Österreichs, 3. Teil, Innsbruck - Wien - München 1959, S. 666. 27