Anton Millner: "Die Gefangenenseelsorge" - Studia Theologica Budapestinensia 1. (1990)
I. Kapitel. Enleitung
I. Kapitel Einleitung Seelsorge unter den Gefangenen gibt es bei den Christen bereits seit den Tagen der Urgemeinde. Die Kirche hat sich seit ihren Anfängen um die Menschen in der Haft bemüht. Jesu Predigt (Mt 25,31-46), sein Wirken und Beispiel, sowie die Mahnung Hebr 13,3, die Gefangenen nicht zu vergessen, waren der Kirche zu allen Zeiten die ernste Verpflichtung, sich der Menschen in der besonderen Notsituation, wie sie die Inhaftierung darstellt, anzunehmen. Diese Zuwendung der Kirche und ihre Sorge um die Menschen in Haft ergab sich nicht nur aus dem Umstand, dass die Apostel selbst — als Verfolgte — oft Gefangene unter Gefangenen waren, sondern auch und vor allem aus dem Selbstverständnis des christlichen Lebens und christlicher Haltung, sich um die Armen, Entrechteten, Ausgestosse- nen und Randgruppen zu kümmern. "So leistet die Kirche seit ihrem Bestehen als einzige Institution sozial- caritative Hilfen und engagiert sich für Gefangene", betont B. GAREIS richtigerweise.1 Damit wurde die Praxis der frühen Kirche und ihre Theologie auch zum Korrektiv der staatlichen Rechtssprechung.2 Die fast zweitausendjährige Tätigkeit des Seelsorgers im Gefängnis hat bis heute nichts von ihrer Bedeutung verloren. Andere betreuende Dienste (Psychiater, Psychologen, Psychotherapeuten, Soziologen, Pädagogen, Sozialarbeiter), die erst in diesem Jahrhundert im Strafvollzug zu wirken begonnen haben, haben die Arbeit des Gefangenenseelsoigers nicht nur nicht überflüssig gemacht, sondern sie gerade wieder stärker auf ihre ursprüngliche, heilsvermittelnde Funktion zurückgeführt. 1. GAREIS, Balthasar: Seelsorge in Justizvollzugsanstalten, ln: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche (23). Hrsg, von MARRÉ, Heiner und STÜTING, Johannes, Münster 1989, i>. 60 2. WIESNET, Eugen: Die verratene Versöhnung, Düsseldorf 1980, S. 142. 13