Folia Theologica 17. (2006)
Roland Tamás: Das Schicksal des Reiches
DAS SCHICKSAL DES REICHES 247 der zunehmenden Verflechtung von Markt und Medien stellt sich diese Frage heute mit umso größerer Schärfe. Eine weitere Ambivalenz der Medien ergibt sich aus der Eigengesetzlichkeit, dass Nachrichten möglichst schnell verbreitet werden müssen und so Schnelligkeit „oft um den Preis der Genauigkeit der Nachricht erkauft sein" kann (CP 39). Darüber hinaus akzentuiert die Instruktion: Die Redakteure „müssen aus der Flut der Nachrichten jene auswählen, die ihrer Meinung nach wichtig sind und öffentliches Interesse finden. Nachrichten sind folglich Ausschnitte, die ein Ereignis nicht notwendig in seinem ganzen Umfang und seiner vollen Bedeutung erkennen lassen" (CP 37). Diese Aussage erweist sich besonders relevant, wenn wir bedenken, dass die Berichterstattung heute eine der wichtigsten Instanzen geworden ist, mittels derer der postmoderne Mensch sich eine Kosmologie aufzubauen sucht. Dass in vielen Bereichen des heutigen Lebens „ein Verfall sittlicher Normen" vorhanden ist, wird als „offenkundig" gekennzeichnet (CP 22). Die Kommunikationsmittel werden aber dabei keineswegs als Sündenböcke benutzt, es ist keine Rede über die „schlechte Presse" oder die „Übermacht der Medien".12 Es wird sogar eine gewisse „Unkenntnis" eingeräumt: „In welchem Maße nun die Medien selbst an diesem Verfall mitschuldig sind, ist eine offene Frage. [...] Wie immer sich das verhält, man kann nicht leugnen, dass die Mängel in der Gesellschaft selbst zu suchen sind" (CP 22). Mit der Anerkennung der Eigengesetzlichkeit der Medien und dieser differenzierten Einschätzung der Situation entzieht Communio et progressio den Boden einer moralisierenden Belehrung und bewahrt „jene Offenheit und Gemeinsamkeit mit der Welt [...], die einer der Hauptimpulse des II. Vatikanums gewesen ist"13; sie sieht die Beziehung der Kirche zu der Welt im Modus der Solidarität und des Dienstes.14 12 Es braucht nicht erwähnt zu werden, wie sehr die vorkonziliare Kirche in den Medien fast ausschließlich eine kirchenwidrige Macht gesehen hat. Ein Überblick über das Thema bietet: Deussen: „Communio et Progressio“ (1972). 13 Meyer zu Schlochtern: Das Kirchenbild (1991) 313. 14 Vgl. GS 1-3. Das letzte lehramtliche Dokument, das sich mit der medialen Kommunikation in ihrer Gesamtheit auseinandersetzt, ist das 1992 erschienene Nachfolgedokument zu Communio et progressio „Aetatis novae“. Das Dokument zeigt bedauerlicherweise einen Rückschritt; die theologische Breite von CP wird nicht fortgesetzt, sondern eher ersetzt. Auf die ausführliche Ana