Folia Theologica 16. (2005)
Imre Koncsik: Künstliche Intelligenz - was kann die Dogmatik zur Diskussion beitragen?
86 1. KONCSIK Deutlich zu erkennen ist die Potenz zur Analogisierung isomorpher Strukturen des Gehirns auf originär mentale Eigenschaften, als ob Gehirn und Geist einander korrespondieren und aufgrund dieser Entsprechung miteinander dynamisch interagieren könnten - freilich unter Voraussetzung eines dogmatischen Menschenbildes mit seinem gemäßigten dualistischen Interaktionismus21, in welcher der Dogmatiker den Austrag der Einheit von Geist und Gehirn als Einheit des analog gegliederten einen Menschseins erblickt. Was ist der Geist? Bei der Begriffsbestimmung des menschlichen Geistes durch essentielle Eigenschaftsauflistung kann heutige Dogmatik mehr beisteuern22. Naturwissenschaftlich fällt der Geist in seiner Subsistenz nicht in den Gegenstand empirischer Eorschung, sondern nur seine mittelbar konstatierbaren Effekte: etwa der initialen Spontaneität und produktiven Kreativität des Gehirns, der intentionalen Koordination neuronaler Aktivitäten im Sinn einer „top-bottom"-Kausa- tion23 - stets in inklusiver Zusammenschau mit synergetischen Deutemustern „von unten"24 -, die Strukturbewahrung und -inte- grität des Gehirns sowie seiner elektrochemischen Effekte, die „wunderbare" Welt des Geistes samt extra-empirischer Phänomene (Parapsychologie, Hypnose u. ä.), die intrinsische Selbstwahrnehmung von stets subjektiv gefärbten und unaustauschbar qualifizier21 Es gibt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum vulgären dualistischen Interaktionismus von Eccles und Popper (POPPER. K.; ECCLES, J., Das Ich und sein Gehirn, München 1996): hier wird jede ontologische Trennung zwischen Geist und Gehirn negiert, ihre einfache qualitative Differenz jedoch nachdrücklich postuliert. Geist und Gehirn sind separat subsistente Entitäten als Ausdruck der einen Primärsubsistenz des in und durch sie analogisierten Menschseins. 22 Siehe etwa RAHNER. K.. Schriften zur Theologie V (Einsiedeln 1962) 189 23 PEACOCK. J. A.. Gottes Ildiken in der Well. Theologie im Zeitalter der Naturwissenschaften, Mainz 1998, 160-162; ders.. Cosmological physics, Cambridge u.a. 1999 24 PRIBRAM, K. (Hg.), Origins. Bruin and self-organization, Hillsdale, NJ u.a. 1994. Entartet eine Deutung „von unten1' in einen synergetischen Monismus, so wird ein Geist als disparate Entität entbehrlich (so die Konklusion von PINKER, S., Wie das Denken im Kopf entsteht, München 1998). Aufgrund der gebotenen Realitätstreue in wissenschaftlicher Ehrlichkeit sollte bei einem Dualismus einer mentalen und physischen Realität angesetzt werden.