Folia Theologica 16. (2005)
Philipp Ernst Gudenus: Klerikerzölibat im Wiederstreit
KLERIKERZOLIBAT IM WIDERSTREIT 61 sönliche Entscheidung: die Antwort auf eine liebevolle Einladung des Herrn. Diese Einladung ergeht auch heute an viele junge Menschen. Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem Zölibat als freier eigener Entschluß möglich bleibt. Der gesetzliche Rahmen ist dabei nur eine der notwendigen Voraussetzungen. Es ist ein gesundes Umfeld vonnöten, in dem die Berufung vernommen werden und reifen kann - trotz der vielen lauten Stimmen, die andere Optionen aufdrängen wollen. a) Den Glauben stärken Der can. 373 CCEO hat sowohl dem Zölibat als auch dem verheirateten Priestertum seine Wertschätzung erwiesen17. Sicher besteht eine besondere Analogie zwischen dem ehelosen Christus und dem geweihten Amtsträger. Stickler meint dazu: „Das Priestertum Christi ist ein tiefes Geheimnis unseres Glaubens. Um es verstehen zu können, muß der Mensch sich einer übernatürlichen Sicht öffnen, das menschliche Deliken dem übermenschlichen unterwerfen, ln Zeiten eines lebendigen Glaubens, der nicht nur den einzelnen Gläubigen trägt und orientiert, sondern auch das Leben der Gemeinschaft durchdringt und formt, steht der Priester-Christus als lebendiges Zentrum des persönlichen und gemeinschaftsbetonten Glaubenslebens im Bewußtsein aller. ln Zeiten des Glaubensschwundes aber verflüchtigt sich der Priester-Christus und verschwindet mehr und mehr aus dem Bewußtsein der Menschen und der Welt, ist nicht mehr das Zentrum des lebendigen Glaubenslebens."18 Der damalige Kardinal Ratzinger hat in seinem 1996 erschienenen Buch „Salz der Erde" klargestellt, daß eine Vermehrung der Zahl der Priesterberufungen nicht durch Abschaffen des Priesterzölibats erfolgen könne: Das eigentliche Problem, das der Infragestellung des Priesterzölibats zugrundeliege, sei eine Krise des 17 Can. 373 CCEO: Caelibatus clericorum propter regnum coelorum electus et sacerdotio tam congruus ubique permagni faciendus est, prout fert universae Ecclesiae traditio; item status clericorum matrimonio iunctorum praxi Ecclesiae primevae et Ecclesiarum orientalium per saecula sancitus in honore habendus est. 18 Op. cit., S. 59.