Folia Theologica 16. (2005)

Philipp Ernst Gudenus: Klerikerzölibat im Wiederstreit

60 Ph. E. GUDENUS Diese Darstellung und überhaupt die häufigen Wiederholungen der Zölibatsforderung in Konzilskanones, Papstdekretalen und Werken der Kirchenväter bezeugen aber auch, dass die Einhaltung der Zölibatsforderung niemals leicht gewesen ist. Im Westen mach­te nach den Wirren der Völkerwanderung und den darauf folgen­den „dunklen Jahrhunderten" die Reformbewegung von Cluny die allgemeine Rückkehr zum Zölibat zu einer ihrer zentralen Erneue­rungsforderungen. Im Osten gab dagegen das Trullanische Konzil der byzantini­schen Kirche in Konstantinopel 691 offenbar entsprechenden For­derungen der Basis nach und gestattete Diakonen und Priestern, verheiratet zu leben16. Aber auch in der östlichen Gesetzgebung blieben Rudimente der ursprünglichen Zölibatsregelung erhalten: Bischöfen blieb die Eheschließung versagt: Falls sie verheiratet ge­wesen waren, mußten ihre Frauen ab jetzt sogar ins Kloster eintre- ten (can. 48). Die Wiederverheiratung verwitweter Kleriker blieb verboten, und auch die Weihe mehrfach verheirateter Kandidaten wurde auch weiter nicht gestattet. c) Im Westen immer beibehalten Während praktisch alle von Rom getrennten Kirchen und Glau­bensgemeinschaften den Zölibat für ihre Kleriker bzw. Geistlichen abschafften, blieb der Zölibat in der römisch-katholischen Kirche auch in der Neuzeit erhalten, obwohl sowohl in der Reformation als auch bei politischen und kulturell-religiösen Umstürzen aller Art -etwa der Synode von Pistoia 1786, den Revolutionen von 1789 und 1848- immer wieder auch der Zölibat teoretisch und praktisch in Zweifel gezogen wurde. 4. Zölibat ist immer freie persönliche Entscheidung Die kirchliche Gesetzgebung bestimmt jedoch immer nur den äußeren Rahmen, innerhalb dessen der Glaube gelebt wird. Man kann Zölibat nicht durch Druck von oben garantieren. Christus in seinem ehelosen Leben nachzufolgen, bleibt immer eine höchstper­16 Dazu im Einzelnen STICKLER, Klerikerzölibat 50-57; siehe auch die grund­legenden Werke von C. COCHINI SJ, Origines apostoliques du célibat, Paris 1981, und R. CHOLIJ; Clerical Celibacy in East and West, Leominster 1988.

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