Folia Theologica 16. (2005)

Bronisław Wenanty Zubert: Die Bedeutung der Klausel "Si puella apparet cognita" in der Kanonistik des ausgehenden Mittelalters

DIE BEDEUTUNG DER KLAUSEL 243 dürfe, wenn man die Glaubwürdigkeit von Aussagen beurteilt, den favor matrimonii nicht aus den Augen verlieren36. 4. Das hier zu behandelnde Problem implizierte auch einen po­tentiellen Konflikt zwischen dem inneren und äußeren Bereich (fo­rum poenitentiae - forum causarum; forum internum und forum exter­num). Dieser Konflikt kommt dann zustande, wenn eine der Partei­en (bzw. beide) den Vollzug des Beischlafs gebeichtet, aber auch gleichzeitig behauptet hat (haben), dass dies animo fornicandi, non animo consummandi matrimonium (libidinis causa, fornicario affectu, eum intentione fornicaria) geschehen sei. Auf die Möglichkeit eines solchen Konflikts haben bereits der hl. Raimund von Penafort (+1275) sowie Johannes von Freiburg aufmerksam gemacht37. Im 15. Jahrhundert hat sich der hl. Antoninus Florentinus (1389-1459) mit diesem Problem auseinander gesetzt. Als Moralist war er der Mei­nung, dass der subjektiven Überzeugung eines Menschen ein höhe­rer Wert zukomme als dem objektiven Urteil eines kirchlichen Ge­richts. Wenn auch aus dem Beischlaf der Verlobten laut Kirchen­recht die präsumtive Eheschließung vermutet werde, entstehe doch laut Gottesgesetz keine Ehe, wenn ihr kein Konsens vorausgehe. Wenn dann eine der Parteien mit einer dritten Person die Ehe schließe, sei sie nicht verpflichtet, sich der Entscheidung der Kirche zu beugen, weil sie sonst einen Ehebruch begehen würde. Die Kir­che dagegen urteile nach äußeren Kriterien, und es stehe ihr zu, die betreffende Person für die zweite Eheschließung zu exkommunizie­ren sowie deren Ungültigkeit zu erklären. Der Exkommunizierte aber sündige nicht, wenn er die kirchliche Strafe abbüße, weil er seinem Gewissen gemäß gehandelt habe38. Die Meinung des Mora­36 Nicolaus de Tudeschis. Commentaria in quartum Decretalium librum (vgl. Anm. 27). til. Il, c. 12:,,[... j quod si per copulam confirmaretur matrimonium staretur potius assertioni mulieris asserentis copulam quam dictis viri negan­tis copulam et favorem matrimonii" (f. 22 r.). 37 Vgl. ZUBER f. Malieh&ka przesikoda wieku w prawadawslwie Kosciola Za- chodniego (s. Anm. 23). S. 409. 38 Vgl. Antoninus Florentinus, Summa maior. P. III. Lugudni 1606, c. 19: „Item nota [...] quod cum quid cognoscit cam cum qua contraxit solum per verba de futuro, quamvis sit ibi matrimonium praesumptum secundum iudicium eccle­siae, tamen secundum iudicium Dei non est ibi matrimonium, quia matrimo­nium secundum rei veritatem sine rcali consensu de praesenti contrahi non potest. Unde si talis contraheret cum alia per verba de praesenti, cum ipsa se­cunda remanere debet et licet ecclesia iudicaret pro prima et cogeret secun-

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