Folia Theologica 16. (2005)

Imre Koncsik: Künstliche Intelligenz - was kann die Dogmatik zur Diskussion beitragen?

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 107 sondern bewegt sich stets in einer vorgegeben Struktur, die nicht an sich verändert werden kann, ohne die Software selbst zu verän­dern, sowohl ihrem Inhalt nach als auch in ihrer Konsistenz. Der Geist hingegen strukturiert sich ganz selbst, weil das zu seinem We­sen gehört; was er nicht beliebig, d.h. kontradiktorisch verändern kann, sind alle Vorgaben, die ontologisch mit dem Sein und seinen transzendentalen Bestimmungen zu tun haben: Einheit und ihre formalisierbaren Ableitungen (Konsistenz, Symmetrie, Wider­spruchsfreiheit), Wahrheit, Güte etc. Also ist der Geist etwa an for­male Regeln wie an die der Widerspruchsfreiheit, der existentiellen Wahrhaftigkeit, der Suche nach Wirklichkeit und Wahrheit etc. ge­bunden. Solche allgemeinen Regeln sind logisch nicht eins zu eins in ihrer ganzen Tülle programmiertechnisch abbildbar, weil sie eben einer qualitativ höheren ontologischen Ebene, der des Seins, angehören und prinzipiell nicht formalisierbar sind. Hier reicht eine Regel und Rechenvorschrift nach Art einer Software nicht aus. Dafür ist auch ein Indiz, dass der Geist - wie erwähnt - nicht algo­rithmisch, sondern primär intuitiv-holistisch operiert69. Zusammenfassend sollte man die KI-These ausweiten und den Begriff der Software auf mentale Eigenschaften hin erweitern: es geht nicht mehr um die Beschaffenheit der Software, sondern um die Möglichkeit der Emergenz des Geistes aus anderen materiellen - hier: künstlichen - Konditionen heraus.. Dann sollte bei der Frage nach der KI nicht die Frage nach der Legitimität, oder präziser: nach dem Grad der Analogie von Vergleichen erkenntnisleitend sein, sondern eine prinzipielle Frage nach der Möglichkeit der Ge­nerierung einer anorganischen, besonders einer anhumanen Schnittstelle für das „Andocken" des Geistes, um ontologisch eine holistische Konstitution zu ermöglichen, die aktuell sowohl das Reich des Mentalen wie des Materiellen um- und unterfasst. Die ei­gentliche Fragestellung der Kl lautet demnach: kann der Geist aus einer artifiziellen Potenz emergieren, d.h. eine künstliche Struktur kreiert werden, welche einen Geist regelrecht „hervortreibt"? Eine solche Emergenz muss auch die qualitative Differenz des mentalen und physischen „Reiches" erklären. 69 Siehe Anm. 64

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