Folia Theologica 15. (2004)

Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins

8 Ch. GOBEL klar, daß der Wüstenvater Evagrius Ponticus (345-399) mit seinem Werk Ad Monachos eines der ersten Modelle dieses Weges entwor­fen hat11. Im monastischen Umfeld der kellischen Wüste zeigt sich aber auch, daß dieser Weg nicht alleine zu beschreiten ist. Eine her­ausragende Rolle spielt der geistliche Vater, der den jungen Mönch anleitet und führt. So wird der Weg geistlichen Fortschritts zum Päd- agogikum. Ich möchte im Folgenden zunächst den Weg des Ad Mo­nachos nachzeichnen (1). Im Anschluß daran soll der philosophische Hintergrund des evagrischen Werkes und aller christlichen Wege geistlichen Fortschritts beleuchtet werden (2). Besondere Betonung liegt dabei auf dem Element der pädagogischen Seelenführung, die - z.B. in der platonischen Dialektik - auch in der Philosophie eine ent­scheidende Rolle spielt. Dennoch unterscheidet sich der pädagogi­sche Stil der Mönche ganz wesentlich von jenem Platons (3). 1 Das Ad Monachos des Evagrius Ponticus Ad Monachos ist eine Sammlung von 137 Sprichwörtern des Eva­grius, angelegt in biblischem Stil und biblischer Sprache. Die mei­sten Sprüche umfassen nur zwei oder vier Zeilen, einige sind län­ger. Der Text führt den Leser in die ganze Breite der evagrischen Lehre ein. Auf den ersten Blick wirkt das Werk nicht besonders strukturiert. Die Sprüche scheinen willkürlich aneinander gefügt, auch wenn gelegentlich mehrere Sätze aufeinander folgen, die ähn­liche Themen behandeln. Für einen Leser, der mit Evagrius' Den­ken und Sprache nicht vertraut ist, müssen einige der Sprüche schlicht nichtssagend erscheinen, andere unverständlich geheim­nisvoll. Hinsichtlich einer solchen, losen Reihung von Kernsätzen einer theologischen - oder auch philosophischen - Lehre folgt Ad Monachos der literarischen Tradition der Kephalaia oder Sentenzen. Evagrius war wahrscheinlich der erste christliche geistliche Schriftsteller, der sich in der Niederschrift seiner Werke der soge­nannten capita oder kephalaia als literarischer Form bediente. Ivanka hat gezeigt, daß er diese Form nicht erfunden hat12. Wie er inhalt­11 Gezeigt hat dies J. DRISCOLL, The „Ad Monachos" of Evagrius Ponticus. Its structure and a selected commentary. Roma, 1991 (Studia Anselmiana 104). 12 E. V. IVANKA, Kephalaia: Eine byzantinische Literaturform und ihre anti­ken Wurzeln. In: Byzantinische Zeitschrift Al (1954), 285-291.

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