Folia Theologica 15. (2004)

Hans Mendl: Ethikunterricht in Deutschland

ETHIKUNTERRICHT IN DEUTSCHLAND 85 Dass viele der derzeitigen Lehrpläne und auch der Ethikunter­richt selbst stark von einem christlichen Humanismus geprägt sind, hängt auch mit der kirchlichen Verwurzelung vieler Mitglieder von Lehrplankommissionen, Schulbuchteams, Kultusministerien und Ethik-Lehrer zusammen.39 Mag es auch die dezidiert kirchen- und religionskritischen Ethiklehrer und gar manche Exoten in ihren Rei­hen geben, in der Mehrheit haben sich von der friedlichen Koexi­stenz bis hin zur konstruktiven Kooperation vielfältige Formen des Miteinanders konsolidiert. Anders ist dies teilweise in den neuen Bundesländern, wo beispielsweise aus Brandenburg durchaus Spannungen zwischen LER-Lehrern und Religionslehrern berichtet werden und gelegentlich im politischen Diskurs der letzten Jahre eine gewisse Hau-Ruck-Mentalität deutlich wurde.40 Aber selbst be­zogen auf LER muss man immer wieder betonen, dass die erste Kultusministerin des Landes und maßgebliche Initiatorin für LER, Marianne Birthler, von ihrem Beruf her Katechetin war und auch der jetzige Kultusminister, Steffen Reiche, evangelischer Pastor und überzeugter Christ ist. Fasst man die aktuellen Tendenzen in den neueren Lehrplänen und Unterrichtsmaterialien zusammen, so kann man feststellen, dass ein lebensweit- und kulturhermeneutisches Konzept domi­niert. Situations- und Problemanalysen sollen mit der Erarbeitung ethischer und religiöser Traditionen verbunden werden. Abgelehnt werden Konzepte, die eine reine Moralerziehung, eine einseitige kognitive Reflexion und oder eine überzogene therapeutische Le­benshilfe anstreben.41 Nach wie heikel sind die Fragen nach der Begründbarkeit eines allgemeinen Ethikunterrichts und der Verantwortlichkeit für dieses Fach.42 Während man aus den genannten Gründen einer staatlichen Be­gründungsmöglichkeit von Ethik skeptisch gegenüber steht, scheinen fak­39 Vgl. SEIFERLEIN, 171f. 40 So soll ein brandenburgischer SPD-Abgeordneter beim Streit um LER geäu­ßert haben: „Was Werte sind, bestimmen wir!“ - R. WISCHNATH, Geht die Kirche noch zur Schul? Erfahrungen und Anfragen aus Brandenburg, in M. LANGER - A. LASCHET (Hg.), Wertorientierung im Wandel, Kevelaer u. Aachen 1998, 36-62, 48. 41 Vgl. SCHMITT 2001,493. 42 Vgl. ANSELM, 12-14; SEIFERLEIN, 85f

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