Folia Theologica 15. (2004)
Hans Mendl: Ethikunterricht in Deutschland
86 H. MENDL tisch überall naturrechtliche Begründungsmuster auf, die allerdings angesichts der gesellschaftlichen Pluralität von Weltanschauungen und Religionen und des ständigen Wertewandels einer Konkretisierung bedürfen. Wie bereits erwähnt sind in allen Ethiklehrplänen als Mindeststandards Rückbezüge auf das Grundgesetz, die konkreten Erziehungsziele in den Länderverfassungen und die Menschenrechtscharta verankert. Deren Bedeutung muss aber situativ eingelöst werden. Letztlich wird das Problem der Normbegründung auf den Unterricht selbst verlagert, welcher subjektorientiert, kommunikativ und diskursethisch angelegt sein soll. Die Schüler sollen methodisch befähigt werden zum werteinsichtigen Urteilen und Handeln in Pluralität und zum kommunikativen Aushandeln ethischer Fragestellungen. Bei aller Fragwürdigkeit immanenter Ethiken scheint dies der formale Maximalkonsens innerhalb pluraler Gesellschaften und eines weltanschaulich neutralen Staates zu sein, in denen selbst eine an Immanuel Kant orientierte eurozentrisch-nachaufklärerische Kulturtradition keine Selbstverständlichkeit mehr ist.43 Barbara Brüning formuliert in ihrer beeindruckenden Studie zum Ethikunterricht in Europa folgende didaktische Strukturprinzipien für eine Neuorientierung der Lehrplangestaltung des Ethikunterrichts: Subjektivität (Orientierung am eigenen Gewissen), Sozialität (Spannung zwischen Individuum und Gesellschaft), Tugendbildung, Traditionsorientierung (Bedeutung erfahrungstranszendierender Sinnangebote), lebenspraktische Orientierung (Lebensgestaltung), Emotionalität und Reflexivität.44 5. Ethikunterricht in Bayern Exemplarisch und in groben Zügen soll nun aufgezeigt werden, wie es um den Ethikunterricht in Bayern bestellt ist. 5.1. Ethik als Ersatzfach Wie bereits oben eingeflochten wurde: Ethik gilt in Bayern nach Art. 137 BV als Ersatzfach für das ordentliche Pflichtfach RU. Wer sich vom Religionsunterricht abmeldet oder einer Religionsgemeinschaft angehört, welche keinen ordnungsgemäßen Religionsunterricht durchführen kann oder darf,45 muss am Ethikunterricht teil43 Vgl. ANSELM, 13. 44 B. BRÜNING, Ethikunterricht in Europa, Leipzig 1999, 197-250.