Folia Theologica 15. (2004)

Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins

6 Ch. GOBEL Einleitung: Der Weg zur Gotteserkenntnis In der Theologie geht es um die Erkenntnis Gottes, der zugleich als Fülle der Wahrheit verstanden wird. In diesem Gedanken, daß „Gott die Wahrheit, die Wahrheit göttlich" ist, kommt die christli­che Theologie mit der griechischen Metaphysik überein3. Das Chri­stentum versteht zudem Christus als inkarnierte Wahrheit (Joh 1,14), nach Jesu Bekunden: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6). Das muß zunächst nicht mehr heißen, als daß Je­sus für sich in Anspruch nimmt, wahrhaft der logos, das Wort Got­tes zu sein; daß seine frohe Botschaft von der bedingunglosen Liebe des Vater-Gottes die einzig wahre Theo-logie ist. Der Gedanke von der fleischgewordenen Wahrheit, vom Gott-Menschen, ist aber von den Anfängen des Christentums an einerseits auch als ontologische Aussage verstanden worden und andererseits als Möglichkeitsbe­dingung aller mystischen Weisen christlicher Gotteserkenntnis. In der Mystik geht es bei der Erkenntnis Gottes in Christus nicht um ein verstandesmäßiges Erkennen, sondern um das „Innewerden der Gottheit in Schau und Verwandlung des Schauenden"4. Beson­dere Bedeutung kommt dabei der Introversionsmystik zu, die sich auf das Paulus-Wort berufen kann: „Prüft euch selbst! Oder er­kennt ihr euch selbst nicht, daß Jesus Christus in euch ist?" (2 Kor 13,5). Danach führt die Selbsterkenntnis der Gläubigen zur Er­kenntnis, daß Christus in ihnen wohnt. Geistiger Vater der Introversionstheologie und -mystik ist Au­gustinus, für den die Wahrheit im homo interior wohnt: „noli foras ire, in te ipsum redi"5. Denn innerlicher als der Mensch sich selbst sein kann, ist ihm Gott: „Tu interior intimis meis"6. Am Scheitel­punkt der als Weg der Rückkehr nach innen begriffenen Selbster­kenntnis Augustins findet die erkennende Seele Gott in der memoria als demjenigen Vermögen, durch das die mens sich selbst gegen­wärtig ist. Der Weg in das eigene Selbst kann als Weg zu Gott ver­standen werden, weil der Mensch imago dei ist (vgl. Gen 1,26), was 3 F. NIETZSCHE, Fröhliche Wissenschaft § 344 4M. DIBELIUS, An die Thessalonicher 1. II. An die Philipper (HNT 11). Tübingen, 21937, 89 5 De vera relig XXXIX 72,202 6 Conf III 6,11

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