Folia Theologica 15. (2004)
László Holló: Der Beitrag der Kirche zum Zusammenleben der Volksgruppen
DER BEITRAG DER KIRCHE 35 sen Fällen ist die bekenntnismäßige Prägung des Christentums offenbar nicht so sehr eine Frage der Wahrheit, als vielmehr ein opportunistisch benutztes Vehikel für nationalistischen Egoismus und nationalistische Selbstbeweihräucherung.11 Es gibt eine extreme Position, für die Kirche und Nation ebenso identisch sind wie die Tatsache, dass man ein religiöser und ein nationalistischer Mensch ist. Alle diejenigen, die diese Identität infrage stellen, werden aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Das Diasporadasein oder das Dasein in den Grenzgebieten der Religionen verstärken diese Einstellung. Die Identifikation von Kirche und Nation wird als ein Mittel angesehen, um alle fremden kulturellen und ideologischen Einflüsse auszuschließen und um ein Nationalbewusstsein, die eigene Kultur, Sprache und Identität zu verteidigen. Dieses Nationalbewusstsein kann unter bestimmten Bedingungen die Form einer emotionalen Einstellung nationalistischen Charakters annehmen. Freilich lässt sich eine völlige Identifikation von Nationalität und Konfession vom christlichen Standpunkt aus nicht verantworten. Die Bestrebungen im allgemeinen, die christliche Religion nationalen Zwecken und selbst nationalistischer Überheblichkeit und Ungerechtigkeit dienstbar zu machen, wären eine an sich wesenswidrige und unwürdige Verquickung von Religion und Politik. Solche Ungenauigkeiten, vor allem, wenn sie von Kirchenmännern kommen, sind strikt abzulehnen.12 Gegen diese menschliche Armseligkeit und Unzulänglichkeit so vieler Christen sollte die Kirche die Übernationalität des wahren Christentums darstellen, ohne aber dabei ihre sich in der Minderheitenlage befindenden gefährdeten Gläubigen im Stich zu lassen. 11 Vgl. E.J. HOBSBAWM, Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780. Frankfurt - New York 1991, 83. 12 Vgl. dazu PIUS XII., Weihnachtsbotschaft 1951. „Politiker, ja sogar Männer der Kirchen, wollen bisweilen die Braut Christi zu ihrer Verbündeten oder zum Werkzeug ihrer nationalen oder internationalen Pläne machen. Aber sie würden damit an das innere Wesen der Kirche rühren, sie in ihrem ureigenen Leben schädigen. Mit einem Wort, sie würden sie auf die gleiche Ebene herabziehen, auf welcher der Streit um irdische Angelegenheiten ausgetragen wird.“ Zit. nach: A.-F. UTZ O.P. - J.-F. GRONER O.P. (Hg.) Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens. Soziale Summe Pius XII. Bd.2 Freiburg/ Schweiz 1955, 4183 a.