Folia Theologica 14. (2003)

Pál Bolberitz: Providenz als Mitleid Gottes

6 P. BOLBERITZ Das Problem des Bösen Zunächst muss der Begriff des Bösen geklärt werden. Das Böse ist nicht irgendwelches Positive, oder irgendwelche Substanz, die unabhängig von dem Guten selbst besteht, sondern es ist ein Man­gel, sogar ein Mangel eines Guten, das dem Seienden zukommt. Das Böse bezeichnet den Mangel von Etwas, das einem Ding auf­grund seiner Natur zukommt, und wenn es in dem Ding nicht vor­handen ist, nennen wir das Ding als Böses: Das Böse ist also kein Defekt, sondern Privation. Wir sind daher nicht berechtigt, eine (sonst ganz lebenstreue) Statue als schlechte zu nennen, wenn sie keine Stimme erhebt, oder ein Gemälde als schlechtes zu bezeich­nen, da es sich, im Gegensatz zu einem Film, nicht bewegt. Seiner Natur gemäss kommt ihm nämlich diese Seinsform zu. Seine Un­vollkommenheit (d.h. dass es nicht spricht) bedeutet Defekt, aber keine Privation. Das gleiche gilt auch für andere Dinge, wenn wir diese vom Gesichtspunkt des Bösen aus erwägen. Demzufolge sind wir nicht befugt, den Menschen als Bösen zu betrachten, weil er kein Engel ist. Die Güte des Menschen muss nach dem menschli­chen Mass, der menschlichen Natur und im Verhältnis zur mensch­lichen Idee beurteilt werden. Zweitens müsste ein anderer Aspekt des Begriffes des Bösen ge­klärt werden, den Leibniz (nicht ganz präzis) als „metaphysisches Böse" nennt. Dies bedeutet, dass die Schöpfungswelt mit ihren sämtlichen Wesen (einschliesslich den Menschen) die Grenzen bezw. Unvollkommenheiten der Geschaffenheit notwendigerweise auf sich trägt. Im Vergleich mit der Fülle Gottes ist also jedes Ge­schöpf notwendigerweise unvollkomen. Der Begriff des Bösen be­deutet daher den in dem Guten verborgenen Mangel oder die noch nicht zustande gekommene Form des Guten, die uns dazu führt, dass wir Gott von der unwahren Anklage der schlechten Schöpfung befreien. Wir sind der Meinung, dass die Dinge, was ihre Seinsord­nung anbelangt, grundsätzlich gut sind (wenn sie dazu bestimmt sind, ihren Zielen nach zu existieren), und in ihren Bestrebungen auf die Entfaltung des Wertvollen und des Guten gerichtet sind. Bevor wir den Sinn des Bösen ausführlicher prüfen würden, müs­sen wir seine verschiedenen Formen in Betracht nehmen. Dabei er­kennen wir, dass der Begriff des Bösen ein analoger Begriff ist, da

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