Folia Theologica 14. (2003)

Pál Bolberitz: Providenz als Mitleid Gottes

14 P. BOLBERITZ möglichen Welten die beste Welt geschaffen hat.18 Seines Erachtens trifft Gott die Wahl aufgrund des Gesetzes der „Mit Möglichkeit" (lex compossibilitatis), d. h. unter Berücksichtigung der gemeinsam verwirklichbaren Vollkommenheiten: Da die Freiheit des endlichen Geschöpfes und seine höchste Glückseligkeit gemeinsam nur durch das Zulassen des Bösen verwirklicht werden können, haben das physische Böse und das moralische Übel auch eine Rolle in dem Wirken der göttlichen Vorsehung.19 Der Deismus der Aufklärung verkündet einen solchen Gott, der zwar die Welt erschaffen hat, kümmert sich jedoch nicht darum. Diese Auffassung schmuggelt ei­nerseits - den stoischen Fatalismus in das europäische Denken zu­rück, andererseits gewährt sie Spielraum dem Aufruhr gegen den, „sich um die Welt nicht kümmernden Gott". (Vgl. Voltaire: Candi­de, die Rechenschaftsforderung von Gott wegen des Erdbebens in Lissabon; weiters im 20. Jh. A. Camus: L'homme revolte, oder Hans Jonas: „Das Syndrom von Auschwitz".) Der Dualismus scheint ein Ausweg zu sein, der das „Schicksal" (fatum) der unabhängigen na­türlichen und geschichtlichen Notwendigkeit der göttlichen Vorse­hung ist, dem man sein Schicksal freiwillig unterstellt, gleichzeitig wirkt es - als Gestalter der Wissenschaft, Technik, Kultur und Poli­tik - mit den Gesetzen der Entwicklung der Weltvernunft (vgl. He­gel) oder Weltmaterie (vgl. Marx) mit, um sie im Dienste einer uni­formierten Welt-Wohlstand nutzbar zu machen (Globalisation). Das kirchliche Lehramt hat - vor allem im Vaticanum I. - die Vorsehung Gottes gegen Atheismus, Deismus, Fatalismus und Dualismus ver­teidigt und bestätigt20, so ergeben sich folgende Grundsätze: Die vorausschauende und die Welt ihrem Ziel zu führende Weltregie­rung Gottes ist nicht immanentes Element einer natürlichen Ord­nung, sondern die freie, geschichtliche ZuwendungGottes. "Das im Begriff Vorsehung verdeutlichte Verhältnis Gottes zu seiner Welt kulminiert in der personalen Relation eines persönli­chen Gottes, der dem freien Menschen Anfang und Ziel setzt. We­der wird also kreatürliche Freiheit in ihrer radikalen Abhängigkeit von ihrem Möglichkeitsgrund entlassen, noch durch den sein Ziel durchsetzenden Vorsehung willen zunichte gemacht. 18 Vgl. Essais de théodicée I, 8; II, 193; II. 2, 10; Specimen dynamicum 19 Vgl. Essais de théodicée I, 10 20 D 1784; weitere Stellen D 421 816 17022305

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