Folia Theologica 14. (2003)

Pál Bolberitz: Providenz als Mitleid Gottes

PROVIDENZ ALS MITLEID GOTTES 15 Gottes Güte, Weisheit und Macht sind dem Meschen erfahrbar sowohl durch das heilsgeschichtliche Handeln wie in der ergange­nen Verheissung Gottes. Beide Momente fallen im Heilswerk Chri­sti in eins. Vorsehung umfasst den Menschen, insofern er dieser Welt, ihrem Schicksal und seiner Unberechenbarkeit ausgesetzt ist. Die planende und sich durchsetzende Güte Gottes bedarf der Ver­deutlichung durch das geoffenbarte Wort und wird in Glaube und Hoffnung erfahren (und nicht in einer erkenntnismässiger Teilhabe an einer Weltvernunft). Die Annahme dieser Vorsehung ist daher nicht frei von der Angefochtenheit, der jeder Glaube ausgesetzt ist. Die Gelassenheit, als die dem Vorsehungglauben gemässe Hal­tung des Christen ist darum nicht stoische, leidenschaftlose Ruhe der Seele, die aus der Geborgenheit der Einsicht in die Vernünftig­keit dieser Welt von der Loge des Wissenden und schon Gesicher­ten das grosse Welttheater teilnahmslos betrachtet. Sie ist die gläu­bige Erfahrung der Befreiung des Menschen von den Mächten und Gewalten dieser Welt und die hoffende Erwartung des „Tages des Herrn" und ermächtigt den Menschen sowohl zur Freiheit von den Weltdingen als auch zu einem Sicheinlassen in die Geschichte."21 Das Mitleid Gottes Der Begriff des leidenden Gottes ist ein Skandal für die Ver­nunft, aber die Wirklichkeit des „nicht leidenden Gottes" bringt das Herz in Aufruhr, das seine eigenen Argumente hat. Vielleicht be­einflusste der Gottesbegriff von Aristoteles die christliche Theologie zu lange Zeit, der als eine vollkommene geistliche Substanz die minderwertigen Seienden anzog, während er ihnen gegenüber teil- namslos blieb. Als Reaktion auf diese Einstellung scheint die christ­liche Spiritualität - sich gerade auf die Offenbarung stützend - ihr eigenes, öfters ziemlich anthropomorphes Gottesbild für die prakti­sche Frömmigkeit auszuarbeiten, worin jedoch die Gefahr der Pro­jektion steckt. Diese Projektion projiziert die menschlichen Eigen­schaften (per viam eminentiae) auf Gott, um dann von Gott über die menschlichen Gefühle „auf menschliche Weise" Rechenschaft verlangen zu können (z. B. in der Form des Mitleides, bezw. der Empathie oder der Liebe). Diese Denkweise trägt jedoch die Ge­21 E. NIERMANN, Vorsehung, in Herders Theol. Taschenlexikon, 1973. Bd. 8. p. 73.

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