Folia Theologica 14. (2003)

Pál Bolberitz: Providenz als Mitleid Gottes

PROVIDENZ ALS MITLEID GOTTES 13 seiner Allwissenheit schuf er die Welt von vorn herein einem Plan gemäss, in dem die natürlichen und die freien Ursachen das göttli­che Vorhaben selbständig verwirklichen sollen. Dieses Vorhaben berücksichtigt ebenfalls die freien Entscheidungen des in der Ge­schichte lebenden Menschen, deshalb ist z. B. das Bittgebet nicht überflüssig: „Wir beten nicht um die göttlichen Bestimmungen zu verändern, sondern um gewinnen, worüber Gott bestimmte, dass es sich mittels des Betens verwirklichen soll."14 Die Vorsehung schliesst nicht aus, sondern „gebraucht" das in der Welt vorhande­ne „Böse". Laut dem Hl. Thomas von Aquin ist das Böse der Mangel der dem Seienden zukommenden Vollkommenheit (privatio boni debiti). Das Böse ist naturgemäss nur in sich ein Seinsmangel, denn das Böse ist für das den Mangel leidende Seiende eine „positive" und schmerzhafte Wirklichkeit.15 Thomas von Aquin ist es bewusst, dass der Zusammenhang zwischen des in der Welt vorhandenen Bösen und der Vorsehung mittels der Philosophie nicht zureichend geklärt werden kann, deswegen zählt er die Vorsehung zur Welt der Mysterien.16 Der Fürst der Scholastik lässt uns darüber nicht in Zweifel dass eine befriedigende Antwort auf die Fragen des mit dem Problem des Leidens und Todes kämpfenden Menschen nur in der Perspektive der Auferstehung und des ewigen Lebens gegeben werden kann. Und da er das menschliche Leben in dieser Perspek­tive betrachtet, verkündet er mit dem Heiligen Paulus, „dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll."17 Der Nominalismus in seiner Grundabsicht, als eine wahre „christliche Philosophie" übertont das persönliche Sein Gottes und trägt dadurch die Gefahr, als ob von Gottes Freiheit über das, in der Welt erscheinende Böse Rechenschaft verlangt werden könnte. In den verschiedenen Richtungen des Protestantismus scheint Gott ei­nerseits sich seiner Freiheit und Allmächtigkeit eigenmächtig zu be­dienen, andererseits ist der Mensch gleichzeitig seinem ewigen göttlichen Schicksal ausgesetzt. G. W. Leibniz verteidigt die göttli­che Vorsehung indem er behauptet, dass Gott von den zahlreichen 14 S.T. II-II q. 83 a 2 15 Vgl. De malo q. 1 a. 1 16 Vgl. S.T. II-II q. 1 a. 8 ad 1 17 Vgl. Super ad Romanos 8

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