Folia Theologica 12. (2001)
Zoltán Rokay: Die Selbstverwirklichung des Menschen in der Philosophie von J. G. Fichte
38 Z. ROKAY Fichte ist 1814 gestorben, konnte also diese „kolossale" Entdeckung Hegels nicht erleben und wahrnehmen. Bei ihm finden wir das Wort Selbstverwirklichung nicht. Uns begegnen aber Ausdrücke wie: „sich setzen", „sich bestimmen", „sich begrenzen", „Selbstbeschränkung", „sich machen". Fichte spricht schon in seine Aenesidemus-Rezension (1794) von der Tathandlung, als vom „Grundsatz" der Philosophie: „Die erste wichtigste Voraussetzung, welche seine Aufstellung zum Grundsätze aller Philosophie veranlaßte, war wohl die, daß man von einer Thatsache ausgehen müsse. Allerdings müssen wir einen realen, und nicht bloß formalen, Grundsatz haben; aber ein solcher muß nicht eben Thatsac/ie, er kann auch eine Thathandlung aus- drücken; wenn es erlaubt ist, eine Behauptung zu wagen, die an diesem Orte weder erklärt, noch erwiesen werden kann.”2 Fichte spricht auch im §1. des 1. Teils der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre (GR) von der Tathandlung: es soll der abso- lut-erste, schlechthin unbedingte Grundsatz alles menschlichen aufgesucht werden: „Beweisen, oder bestimmen läßt er sich nicht, wenn er absoluter- ster Grundsatz sein soll."3 „Er soll diejenige Thathandlung ausdrü- cken, die unter den empirischen Bestimmungen unseres Bewußtseins nicht vorkommt, noch Vorkommen kann, sondern vielmehr allem Bewußtsein zum Grunde liegt, und allein es möglich macht."4 Durch den Satz der Identität (A=A; Ich bin Ich), kommt man zuerst zu einer Tatsache. Wenn man aber näher zusieht, geht es hier um eine Handlung. Das Ich ist dabei „zugleich das Handelnde und das Produkt der Handlung; das Tätige, und das, was durch die Tätigkeit hervorgebracht wird. Handlung und Tat sind Eins und ebendasselbe; und daher ist das Ich bin Ausdruck einer Tathandlung; aber auch der einzigen möglichen..."5 In diesem Zusammenhang 2 GA (Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie) 1,2. S. 46,22-28. 3 GR (Ausgabe Meiner) S.l 1. 4 Ebd. 5 Ebd. S. 16. In der Wissenschaftslehre nova methodo, GA IV,2. S.44, 13-15 lesen wir: „Das Ich geht hier absolut zu werke, - es ist ein durch sich selbst begründeter Akt der Freiheit, es ist ein absolutes Anfängen, ein Herausbringen eines neuen Akts, ein Schaffen aus nichts.” (Wissenschaftslehre nova methodo: WNM)